Wut ist der Gegenpol zur Gleichgültigkeit
Elif Shafak plädiert poetisch und politisch dafür, in einer zunehmend gespaltenen Welt die Nerven zu behalten
Illustration: Max Jurasch, Fotocredits Vorlagen: Blümel (orf.at/Carina Kainz), Kurz (Christian Wind), Schmid (OTS/Georg Wilke)
Die Magnolienbäume blühten wie bestellt, ihre prachtvollen Blüten wiegten sich in der leichten Aprilbrise und die Vögel zwitscherten fröhlich, als Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler vergangenen Samstag im Garten des Barockpalais Schönburg vor die Kamerateams traten. Nach Tagen voll mit peinlichen Buberl-Chats, Postenschacherei und Korruptionsmief sollte Hoffnungsfrohes verkündet werden. Getreu dem Motto: „Wenn dir nicht gefällt, worüber die anderen reden, sprich einfach über etwas ganz anderes.“
Die Regierung erarbeitet einen „Comeback-Plan“, um aus der Pandemie gestärkt in die alte Normalität zurückzukehren, erzählten Kurz und Kogler der Presse. Sie will 500.000 Menschen zurück in ihre Jobs bringen, dazu die Schulen digitalisieren und das Steuersystem ökologisieren. Für diesen „Comeback-Turbo“ soll das „Comeback-Team“ mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zuständig sein.
Alles zauberhaft, wäre der Hauptdarsteller nicht entzaubert. Für Sebastian Kurz, 34 Jahre jung, seit zwölf Jahren Politiker von Beruf, seit vier Jahren ÖVP-Chef und Kanzler seiner bereits zweiten Koalition, beginnen die politischen Lehrjahre gerade erst. Bis vor kurzem war alles pastell wie die Magnolienblätter: jüngster Kanzler in der Geschichte der Zweiten Republik, beliebtester noch dazu. Seine Partei verlässlich im Hoch, seine Persönlichkeitswerte ebenso. Mit 37,5 Prozent Stimmenanteil bei den Nationalratswahlen 2019 wiedergewählt, Chef eines europaweit beachteten Bündnisses aus Konservativen und Grünen.