"Wir erleben eine Monogamisierung"
Die Sozialwissenschaftlerin Barbara Rothmüller erwartet keinen "Summer of Love" nach der Pandemie und erklärt, wie Corona unser sexuelles Repertoire erweitert hat
Foto: Benedikt Narodoslawsky
Dunkel ist das Eis der Zukunft. Es liegt hier oben auf über 3000 Metern, in der Silvrettagebirgskette im Südwesten Tirols, wo die Jamtalspitze und die Dreiländerspitze in den Himmel ragen. Ein Laie würde das Eis für Fels halten. Geröll bedeckt es, über seine schroff abfallende Seite hat sich eine schwarzgraue Schmutzschicht gelegt. Die Form erinnert an einen gestrandeten Pottwal, der aus dem Bauch blutet. Doch aus der Wunde fließt kein Blut, sondern Schmelzwasser.
Der vermeintliche Fels ist sogenanntes Toteis. So nennt man jenes Eis, das nicht mehr mit dem Gletscher verbunden ist, sich nicht mehr bewegt, sondern nur noch herumliegt und aufs Abschmelzen wartet. Man kann dem Toteis in der Silvretta-Gebirgsgruppe live beim Sterben zusehen. Es plätschert nicht nur aus ihm heraus, es rieseln auch stetig lose Steine herunter. Bräuchte man für die Klimakrise einen Soundtrack, müsste man hier bloß ein Mikrofon aufstellen.
„2050 wird man den Gletscher nicht mehr erkennen können. Er zerfällt jetzt schon in viele Einzelteile, das geht sehr rasch“, sagt die Glaziologin Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über den Jamtalferner. Dass die Erderhitzung Gletscher verschwinden lässt, ist keine Neuigkeit. Neu ist allerdings, mit welcher Geschwindigkeit das passiert. „Wir haben gedacht, dass wir mehr Zeit haben, aber es geht sehr schnell in dieser Endphase“, sagt Fischer.