Kommentar
Die Vergleichbarkeit des Einzigartigen
Kann man den Holocaust mit Kolonialverbrechen in Zusammenhang bringen? Eine Debatte verändert den Blick auf die Nazizeit

Das faschistische Italien ließ in Äthiopien unter anderem Senfgasbomben abwerfen. // Foto: Autor unbekannt - https://www.icrc.org/en/doc/resources/documents/article/other/5ruhgm.htm bzw. https://www.jstor.org/stable/41931229?seq=1, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97273101
Bis zu 760.000 der zehn Millionen Einwohner starben in dem Krieg, den das faschistische Italien ab 1936 in Äthiopien führte. Es kam Giftgas zum Einsatz, zehntausende Zivilisten starben in Massakern. Der Zusammenhang zwischen den Verbrechen in Afrika und der späteren Judenverfolgung, die auch vom faschistischen Staat betrieben wurde, ist offensichtlich. Oder doch nicht?
In den deutschsprachigen Feuilletons wird derzeit eine Kontroverse ausgetragen, die an den sogenannten Historikerstreit der 80er-Jahre erinnert. Der deutsche Wissenschaftler Ernst Nolte hatte damals die KZs als Reaktion auf den Gulag beschrieben. Nolte betrieb einen abenteuerlichen Whataboutismus, also den Vergleich von Dingen, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben.
Nun geht es wieder um Vergleichbarkeit. Eine Gruppe von Forschern fordert ein Umdenken in der Genozidforschung. Sie arbeitet an einer Globalgeschichte kollektiver Gewalt, die den Mord an sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden mit dem Kolonialismus