Watchdog
Sorge ums Redaktionsgeheimnis
Im Jahr 1931 lasen US-Bauern im „Progressive Farmer“ (Foto: Wikimedia Commons/gemeinfrei/George W. Ackerman)
Das Cover der Bauernzeitung gehört Sebastian Kurz. Drei von vier September-Ausgaben titelten mit dem Bundeskanzler: Menschenmeer mit Kurz, Kurz im Trachtenjanker bei der Mariazeller Wallfahrt, Kurz beim ÖVP-Parteitag in Sankt Pölten, jubelnd vor einem türkisen Bildschirm: 99,4 Prozent. Kurz mit seinen Steuerplänen („Bauern soll mehr übrig bleiben“). In der Ausgabe der Wochenzeitung, wenige Tage vor den oberösterreichischen Landtagswahlen, ist auf der dritten Seite ein ganzseitiges Interview mit dem Landeshauptmann Thomas Stelzer abgedruckt („Die ÖVP ist immer für die Bauern da“), auf der nächsten Seite wird über die Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger berichtet: „Köstinger nahm sich gegenüber dem Handel kein Blatt vor den Mund: ‚Erpresserische Zustände‘.“
Ob es ihn stört, wenn man seine Zeitung als „ÖVP-Blatt“ bezeichnet? „Natürlich stehen wir der ÖVP nahe“, räumt der Chefredakteur Bernhard Weber im Gespräch ein. „Aber das ist auch kein Geheimnis.“ Immerhin ist die Agrar Media Verlagsgesellschaft, zu der die Bauernzeitung gehört, zu 100 Prozent im Eigentum einer ÖVP-Vorfeldorganisation, des Bauernbunds. Man werde in der Bauernzeitung nicht die agrarpolitischen Forderungen der Grünen oder der FPÖ lesen, „was nicht heißt, dass wir nicht ab und zu etwas von ihnen aufgreifen“, sagt Weber. „Oder hätte man früher die Positionen der FPÖ in der Arbeiter-Zeitung gelesen?“ Mit dem Unterschied, dass die Arbeiter-Zeitung 1991 eingestellt wurde, die Bauernzeitung druckt bis heute.
Kaum eine Branche war in den vergangenen Jahrzehnten so im Umbruch wie die der Bauern. Seit 1970 ist in Österreich jeder zweite Bauernhof verschwunden. Ein Wandel, der sich in der Medienlandschaft nicht so ganz niederschlägt. 47 unterschiedliche Titel listet der Verband Österreichischer Agrarjournalisten (VAÖ) auf seiner Homepage auf. Wenn man von derzeit knapp 156.000 Landwirtschaftsbetrieben in Österreich ausgeht, kommen auf 10.000 Bauern mehr als drei Zeitungstitel. Aber anders als die Landwirte müssen sich die meisten Bauern-Medien nicht auf dem freien Markt behaupten. Die allermeisten Titel sind Mitgliederzeitungen von Kammern und Verbänden, der föderalen Arithmetik folgend für jedes Bundesland.