Nachspiel

Festwochen in der Pandemie: Von betulich und bemüht bis groß gedacht und virtuos

Feuilleton, FALTER 39/2021 vom 29.09.2021

Elf Festwochen. So viele gab es noch nie. Ein Gastspiel aus Japan soll im November nachgeholt werden, ansonsten ist die Ausgabe 2021 der Wiener Festwochen vorbei. Endlich, ist man versucht zu sagen. Die Verteilung über insgesamt sechs Kalendermonate war der Pandemie geschuldet, wirklich gut fand sie sicher nicht einmal die Leitung. Denn der Kongress, um das 70-jährige Bestehen des in Aufbruchstimmung nach dem Krieg erstmals ausgetragenen Festivals zu feiern, musste von Juni auf September verschoben werden. Dadurch waren die kooperierenden Unikurse, die sonst die Säle gefüllt hätten, in den Ferien, und das "normale" Publikum interessieren Archivdurchstöberungen mit Blick auf die Zukunft sowieso nicht. Aber die Veranstaltungen wurden durchgezogen und wandern für die nächste Runde Selbstbetrachtung ihrerseits ins Archiv.

Die Qualität der Aufführungen schwankte, wie üblich. Besonders zu Beginn kamen viele Auftragswerke und Koproduktionen recht betulich und bemüht rüber, Versuche, die Wiener Kulturbürgerschicht mit dem Gestus des progressiven Kunstfestivals zu versöhnen. Später überwog die bemerkenswerte Ausbeute an Produktionen mit dem gewissen Festwochen-Wow-Effekt: groß gedacht und virtuos ausgeführt. Als Beispiele sind die Arbeiten von Phia Ménard, Matija Ferlin und Tiago Rodrigues zu nennen. Die Besucherzahlen ließen - auch nach Aufhebung der Auslastungsbeschränkungen - zu wünschen übrig. Da das gerade allen Kulturveranstaltern so geht, ist schwer zu sagen, ob die Festwochen in einer Krise sind. Ihr Intendant Christoph Slagmuylder wurde 2019 kurzfristig berufen. 2020 und 2021 improvisierte er um Corona herum. Möge er 2022 endlich zeigen können, wie er sich ein Festival wirklich vorstellt.

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