„Ich habe mich nichts um die Regeln gepfiffen“
Die Schauspielerin und Kabarettistin Dolores Schmidinger ist als Ulknudel bekannt. Doch die Wiener Unterhaltungslegende kann auch ganz anders: ein Gespräch über Sehnsucht, Sex und den Sinn des Lebens

Foto: Heribert Corn
Dolores Schmidinger ist hörbar erfreut über die Interview-Anfrage. „Jö, der Falter“, sagt sie am Telefon. „Endlich will ein Medium mit mir reden, das ich auch lese!“ Schmidinger, die heuer im September ihren 75. Geburtstag feierte, ist als goscherte Schauspielerin sowie offenherzige Kabarettistin und Autorin bekannt. Ihre Karriere reicht zurück bis in die 1960er. Die Ulknudel vom Dienst mit der argen Biografie – Alkoholkrankheit, Bulimie, Missbrauchserfahrung – ist freilich nur eine Facette der Wienerin.
Ihr neues Buch „Hannerl und ihr zu klein geratener Prinz“ überrascht als von leichter Hand geschriebene, poetische und tief berührende Aufarbeitung der Familiengeschichte mütterlicherseits; gleichzeitig liefert es eine kluge zeitgeschichtliche Erzählung über Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von Krieg, Patriarchat und Emanzipation handelt es, von Sozialdemokratie, Widerstand und Antisemitismus, von Liebe und Enttäuschungen, Träumen und dem Elend der Realität.
Die grausame Klammer: Zu Beginn vergewaltigt ein Bursche aus dem Dorf Schmidingers Großmutter beim Krampuslauf. Sie wird schwanger – mit der späteren Mutter der Künstlerin. Am Ende missbraucht Schmidingers erzkatholischer Vater die eigene Tochter im Vorschulalter.