Blattkritik

Ein schonungsloses Sittenbild: Die Süddeutsche Zeitung berichtet über Après-Ski-Zirkus in Ischgl

BARBARA TÓTH
Medien, FALTER 02/22 vom 12.01.2022

In einer Gondel sitzt ein Paar, der Mann in schweineteurer Moncler-Jacke, die Frau mit aufgemalten Augenbrauen und Botox-Lippen, auf denen Lipgloss schimmert, ohne FFP2-Maske." Es ist nur eine Szene von vielen, die die SZ-Reporterin Marlene Knobloch aus Ischgl für ihre Reportage auf "Seite Drei" der Süddeutschen Zeitung mitgebracht hat. Es geht um den Après-Ski-Zirkus im Tiroler Skiort, wie er sich in der Omikron-Welle entwickelt - und welche Menschen das eigentlich sind, für die Skifahren und Jagertee das höchste Glück sind. Die "Seite Drei" ist das Reportage-Ressort der Süddeutschen, hier haben Autorinnen und Autoren richtig viel Platz. Knoblochs Text hat fast 19.000 Zeichen. Zum Vergleich: Im Falter wären das drei Seiten Text pur. Keine österreichische Tageszeitung hat Vergleichbares. Wer hier schreibt, kann nicht nur recherchieren und gut beobachten, sondern vor allem auch brillant erzählen. Knobloch besuchte das berühmt-berüchtigte "Kitzloch", "Nikis Stadl" und "Kuhstall". Sie traf auf präpotente Reiche, wie in der Gondel beschrieben, deutsche Männerrunden, für die der Skiurlaub der jährliche Junggesellenausflug ist, und jede Menge Einheimische, die sich nach wie vor als Opfer internationaler Medien sehen. "Außer Tresen nix gewesen", betitelte sie ihre Reportage, die so schillernd wie schonungslos ist.

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