Störer der Unordnung
Er war stets bemüht, Menschen in ihrer Angepasstheit, Bequemlichkeit und Egozentrik zu erschüttern. Ein Versuch zum Tod des Architekten Friedrich Kurrent
Foto: Helmuth Furch | WikiCommons
Er war noch bei der Feier seines 89. Geburtstages absolut sicher, auch den 100er feiern zu können, und auch den Bau seines Herzensprojektes der letzten Jahre, eine große neue Wiener Synagoge am Platz zwischen Parlament und Palais Epstein „an der Ringstraße“ – als eine „Bringschuld der Stadt“ im Hinblick auf ihre brutale NS-Ära – zu erleben.
Nun ist er nach monatelangem Siechtum, Verlust von Sprache und motorischen Fähigkeiten infolge eines Schlaganfalls, in der Nacht vom Sonntag im Wiener AKH „im Schlaf“ gestorben. Es wurden also „nur“ 90 einmalig intensive Jahre eines außergewöhnlichen Architektenlebens, das eben viel, viel mehr im Blick hatte als den spektakulären Rekord an großartiger, gebauter Kubatur, und das kulturelle, soziale, künstlerische, ökologische und biographische Nährfelder für qualitätvolles Planen und Bauen und gutes Leben wie kaum ein anderer „mitnahm“, extrem offen und empathisch einbeziehen wollte – und in einigen Fällen auch beispielhaft konnte.
Friedrich Kurrent war zeitlebens – und speziell in den letzten Jahrzehnten nach seiner Rückkehr nach Wien als emeritierter, charismatischer Architekturprofessor an der TU München – in der hiesigen Szene ein fast beängstigend verlässlicher, auch sich selbst bzw. mögliche eigene Interessen niemals schonender „Störer der Unordnung“.