NACHSPIEL

Die Kulturkritik der Woche

Corona und Bundesmuseen: Das therapeutische Potenzial der Krise

Matthias Dusini
Feuilleton, FALTER 06/22 vom 09.02.2022

Besser als 2020, schlechter als vor Corona. Die unlängst veröffentlichten Besucherzahlen der Bundesmuseen dokumentieren die von der Pandemie verursachte Krise. Kamen im Jahr 2019 noch 6,9 Millionen Menschen in das Kunsthistorische Museum (KHM), die Albertina oder das Belvedere, waren es 2021 nur noch rund 2,3 Millionen. Gegenüber dem ersten Corona-Jahr zeichnet sich eine leichte Besserung ab. Dank der im vergangenen Jahr lancierten Bundesmuseen-Card verzeichneten die Einrichtungen mehr inländische Besuche.

US-amerikanische Museen trafen die Verluste unvergleichlich härter. Die Häuser entließen Teile der Belegschaft und verkauften Kunstwerke, um die laufenden Kosten zu bezahlen. Große Stiftungen sprangen mit hunderten Millionen Dollar ein - und vergrößerten so die Abhängigkeit von privatem Kapital. Hierzulande half der Staat und schoss im vergangenen Jahr 16,5 Millionen Euro aus dem Krisenbewältigungsfonds zu, um die entgangenen Einnahmen zu ersetzen. Seit mehreren Jahren geplant, krachten die Blockbuster "Tizian und die Frauen" (KHM) und "Modigliani" (Albertina) im vergangenen Dezember in den Lockdown.

Die leeren Säle waren ein Segen. Endlich begann die Kultur über sich selbst nachzudenken. Arbeiten Museen nur für den Tourismus und sprechen sie ohnehin nur eine kleine, elitäre Gruppe an? Wäre es nicht sinnvoll, das eine oder andere Haus zuzusperren und einen neuen Typus von Kulturzentrum zu erfinden? Die Fragen nach Identität und Aufgabe sollten mit dem wieder einsetzenden Touristenstrom nicht verstummen. Die Krise ermöglichte einen Blick in den Spiegel. Dort war das Bild eines Patienten zu sehen, für den noch keine Therapie gefunden wurde.

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