Schändlich und dumm
Der österreichische Autor Franzobel outet sich im Standard als Apologet eines skrupellosen Diktators und Schlächters. Ein Gastkommentar von Martin Pollack

Die ukrainischen Verteidiger unterschiedslos in einem Atemzug mit den russischen Angreifern zu erwähnen disqualifiziert den Sprecher | Foto: Jose Pablo Dominguez/Unsplash
Der Schriftsteller Franzobel betrachtet aus sicherer Entfernung das blutige Gemetzel in der Ukraine und ist entsetzt. Doch er hat, Gott sei gelobt, auch gleich einen Ratschlag zur Hand. Eigentlich ganz einfach: Die Ukraine solle kapitulieren, eine Exilregierung bilden und auf besseres Wetter hoffen. Warum sind wir nicht schon längst darauf gekommen?
Nun könnte man freilich die Frage stellen, ob dieser Ratschlag wirklich so klug ist, vor allem aus Sicht der Ukraine? Was wäre gewesen, wenn die Alliierten auf Hitlers Erpressungen und Angriffskriege so reagiert hätten, wie Franzobel das jetzt den Ukrainern empfiehlt: Kapitulieren, auch auf die Gefahr hin, dass ihr Land „kurzfristig von den Landkarten verschwinden“ würde. Hitler hätte sich die Hände gerieben, und wer weiß, vielleicht würden heute noch Hakenkreuzfahnen über der Hofburg, dem Brandenburger Tor, dem Eiffelturm und anderen europäischen Wahrzeichen wehen. Doch Franzobel denkt nicht in historischen Kategorien, die sind ihm offenbar fremd.
Eine Frage sei in diesem Zusammenhang noch erlaubt: Worauf stützt Franzobel seine Ansicht, dass die Ukraine im Fall einer Kapitulation nur „kurzfristig“ von den Landkarten verschwinden würde? Da hat er anscheinend seinen Putin nicht aufmerksam gelesen, denn von „kurzfristig“ ist bei Putin nirgends die Rede. Im Gegenteil. Er spricht der Ukraine unverblümt jedes Existenzrecht ab, das Land, das er als solches gar nicht anerkennt, soll für immer von den Karten getilgt werden, samt seiner Kultur und, auf lange Sicht, samt seiner Sprache.