Es gibt keine Bilder, keine Aufzeichnungen. Im Zimmer der Privatresidenz Nowo-Ogarjowo saßen sie zu zweit nur mit den Dolmetschern. Die beiden Männer sprachen 75 Minuten, abgesehen von den Grußworten auf Deutsch war alles simultan übersetzt. Sie sprachen über die Gräueltaten in Butscha. Über humanitäre Fluchtkorridore aus den belagerten Städten hinaus und den Weg des Internationalen Roten Kreuzes hinein. Offen, direkt, hart sei es gewesen, sagt Bundeskanzler Karl Nehammer über sein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. So berichtete es sogar die russische Nachrichtenagentur Tass.
Der Besuch des Kanzlers beim Kriegsherrn in Moskau platzte am vergangenen Sonntagabend in die Schlagzeilen. Von Regierungschefs wie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron oder dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wusste man, dass sie mit Putin telefonieren. Von Nehammer, dem Milizoffizier und ehemaligen Generalsekretär des ÖAAB, späteren Generalsekretär der ÖVP und Innenminister, wusste man bislang nicht, dass er überhaupt außenpolitische Ambitionen hegte. Und dann reist der Mann innerhalb von 72 Stunden in die Hauptstädte jener beiden Länder, die seit dem 24. Februar Krieg führen. In die Ukraine und nach Russland. Erst zum Verteidiger. Dann zum Angreifer.
Und eine Frage steht im Raum: Was will der Kanzler im Osten?