„Dieser Krieg wird im klassischen Sinn nie enden“
Politologe Herfried Münkler zeichnet ein düsteres Bild von Europas Zukunft. Warum die Europäische Union eine Atommacht werden sollte und wie wichtig neutrale Pufferstaaten zwischen den Machtblöcken sind
Er hat über Machiavelli dissertiert und kennt Clausewitz auswendig, seine Bestseller tragen Namen wie „Die neuen Kriege“ (2002) und „Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten“ (2005). Wer beim deutschen Politikwissenschaftler Herfried Münkler anfragt, kann sicher sein, in Zeiten der Unübersichtlichkeit das große Ganze vermittelt zu bekommen. Ein Gespräch über Unterwerfungspazifisten, postheroische Gesellschaften und moderne Kriegsführung.
Falter: Herr Professor Münkler, Kulturschaffende und Intellektuelle fordern in einem offenen Brief, den die Frauenzeitschrift Emma abgedruckt hat, einen Stopp der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Zu Recht?
Herfried Münkler: Es gibt Leute, die unter dem Deckmantel der Sorge fürs Allgemeine vor allem ihr eigenes Wohlergehen im Auge haben. Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, weil das den Krieg nur verlängern würde. Erstens unterschätzen diese Leute die Relevanz der deutschen Lieferungen. Der Hauptakteur bei den Waffenlieferungen sind die USA. Es geht politisch darum, Einfluss auf die ukrainische Regierung zu behalten. Offene Briefe wie dieser nehmen den Europäern Einfluss, der noch einmal eine Rolle spielen kann. Das alles ist nicht politisch gedacht, sondern trieft von Selbstsorge. Nun ja, so ist das in postheroischen Gesellschaften mitunter.