Der rote Karl
ÖVP-Chef Karl Nehammer gibt den Linkspopulisten. Kann er damit die ÖVP vor dem Niedergang retten?
Illustration: P.M. Hoffmann
Es war weder halbherzig, noch versuchte das Kanzleramt, das Interview im Nachhinein schönzureden oder umzuschreiben. Was Kanzler Karl Nehammer vergangenen Dienstagabend in die Mikrofone zweier Redakteure der Tiroler Tageszeitung sprach, kam tief aus seinem politischen Herzen. Es sei ein Fehler gewesen, Infrastrukturunternehmen wie den Verbund und die OMV teils zu privatisieren. Denn jetzt, im Krieg, machten sie beste Geschäfte, während die Menschen unter den hohen Energiekosten stöhnten. Solche „Zufallsgewinne“ gehörten den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, dem „Volk und nicht dem Unternehmen alleine“, findet Nehammer. „Da braucht es ein neues Reglement.“
Der ÖVP-Chef fand auch gleich ein knackiges Wort dafür: „Gewinnabschöpfung bei Krisengewinnlern“. Das Finanz- und das Wirtschaftsministerium sollen das schleunigst prüfen. Auch wenn jetzt „alle Wirtschaftsliberalen gleich in Ohnmacht fallen. Aber in Zeiten der Krise müssen wir zusammenhelfen.“
Die Ankündigung des Kanzlers brachte die Wiener Börse zum Beben, die Kurse der von ihm genannten Unternehmen rasselten runter. Die bürgerliche Presse ätzte in Anspielung auf den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro über „Karl Fidel Nehammer“. Nur die Wirtschaftsliberalen, die Nehammer angesprochen hatte, die fielen nicht in Ohnmacht. Die wussten bereits, dass der Wind in der konservativen Partei unter Nehammer nicht mehr streng neoliberal wie unter seinem Vorgänger Sebastian Kurz weht, sondern milder und wärmer aus der Mitte heraus.