Die Kulturkritik der Woche
Die Eröffnung der Wiener Festwochen war so lala, gerettet haben sie Bilderbuch und Yung Hurn
Foto: Heribert Corn
In der Antike bezeichnete „Pathos“ ein Mittel der Rhetorik. Bei Aristoteles steht es neben „Ethos“, das auf die Integrität des Sprechers zielt, und dem „Logos“, der die vernunftbegründete Argumentation meint. Im Unterschied zu diesen beiden Säulen zielt Pathos auf die Emotion – was der Grund dafür ist, dass es auch stets vom Verdacht begleitet war und ist, manipulativ zu sein. „Bildungssprachlich, oft abwertend“, heißt es im Duden, der als Beispiel auch gleich das „unechte Pathos“ und „eine Rede voller Pathos“ anführt.
Der rhetorische Verzicht auf Pathos ist aber auch ein Symptom des Friedens, des Wohlstands und des Glaubens ans technisch Machbare. In Zeiten, in denen Krieg herrscht, die Klimakatastrophe droht, den Planeten unbewohnbar zu machen, und Fundamentalismen unterschiedlicher Couleur die Grundlagen zivilen Zusammenlebens zum Bröseln bringen, hat das Pathos auf einmal wieder Saison. Um es zu artikulieren, wird der Lautstärkeregler oft bis zum Anschlag hochgedreht. Die Journalistin Solmaz Khorsand hat in ihrem ebenso kurzweiligen wie klugen Buch „Pathos“ (2021) dafür plädiert, das eigene Pathos hin und wieder zu drosseln und die Bühne für jene zu räumen, die normalerweise nicht oder kaum gehört werden. Und sie geht darin der Frage nach, unter welchen Bedingungen Pathos überhaupt zugestanden oder, im Gegenteil, als Wehleidigkeit oder Wichtigtuerei denunziert wird. Im Interview spricht sie über die Rückkehr heldenhafter Männer, über die Sinnhaftigkeit von Boykotten und Auftrittsverboten, über „Heulsusenhierarchien“, den medialen Umgang mit Traumata und Kriegsgräueln und über mangelnde Ambiguitätstoleranz.
Falter: Wir erleben gerade pathetische Zeiten – würden Sie dem zustimmen?