NACHSPIEL

Die Kulturkritik der Woche

Antisemitismus oder Israelkritik: Die Akademie cancelte den Vortrag einer Palästinenserin

Matthias Dusini
Feuilleton, FALTER 23/22 vom 08.06.2022

Queer und postkolonial wäre Walaa Alqaisiya ja. Aber auch ein bisschen antisemitisch. So zumindest sieht es die Jüdische Hochschüler: innenschaft, die gegen einen Auftritt Alqaisiyas im Museum moderner Kunst protestierte. Die veranstaltende Akademie der bildenden Künste cancelte das Event: "Die Ankündigung des Vortrags beinhaltet essentialistische Zuspitzungen, die von zahlreichen Mitgliedern der Akademie als Affront wahrgenommen wurden."

Alqaisiya ist eine Wissenschaftlerin im Fach Postcolonial und Queer Studies. Sie wird von der Europäischen Kommission gefördert und forscht an der London School of Economics. "Immer wieder wird mittels falscher Antisemitismusvorwürfe die akademische Freiheit untergraben", protestiert Salah Abdel-Shafi, Wiener Botschafter des Staates Palästina. Alqaisiya behauptet, Israel sei eine zionistische Struktur, die die "indigene Bevölkerung auslöschen" wolle. Sie schwadroniert von "Siedlerkolonialismus" und einer "Hetero-Landnahme".

Die Ausladung Alqaisiyas ist eine Frechheit. Erst schickt die Akademie eine Einladung, dann schlägt sie der Rednerin die Tür vor der Nase zu. Doch lieber eine Unhöflichkeit als ein diskursiver Tabubruch. Die Queer-Denkerin müsste eigentlich wissen, dass Israel der einzige Staat im Nahen Osten ist, der die Rechte von LGBTIQ-Personen garantiert. Und Wien vielleicht auch nicht der richtige Ort ist, um über die Auslöschung einer Minderheit zu spekulieren. Die Nationalsozialisten ermordeten 65.000 der 200.000 österreichischen Jüdinnen und Juden, viele Überlebende fanden in Israel eine neue Heimat. Die Ausladung Alqaisiyas bewahrt die Organisatorin vor größerem Schaden. Die Akademie der schwurbelnden Künste.

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