Hausbesuch
Der neue Gemeindebau in der Seestadt
URBANISMUS-KOLUMNE
Anfangs war alles noch beschaulich. Wie auf einer Tribüne saßen Aktivistinnen und Aktivisten auf den Treppen vor dem Haus des Meeres. Zu ihren Füßen lag die Straßenkreuzung vor der Bücherei Mariahilf, der weitläufige Platz wurde misstrauisch beäugt. Könnte einer der Passanten ein Identitärer sein? Der mit der Maske (kalt), mit dem Army-Rucksack (warm) oder der mit Bier in der Hand (heiß!)?
Candy Licious ist seit sieben Jahren eine bekannte Dragqueen in Wien. Vergangenen Freitag las sie um 15 Uhr aus Kinderbüchern vor, Geschichten über nicht heterosexuelle Menschen. Identitäre rund um Martin Sellner hatten per Telegram angekündigt, die Lesung zu stören. Weil sie in der Nacht zuvor den Eingang der Bücherei mit Beton zugemauert hatten, herrschte während der Lesung großes Polizeiaufgebot. Mehrere Dutzend Rechtsextreme kamen, einer schlug zu. Andere, darunter Neonazi Marco Helfenbein, der am 20. April am liebsten Kerzen in Braunau entzündet, wurden von Aktivistinnen und Aktivisten umzingelt und verscheucht.
"Schützt die Kinder vor dem Genderwahn!" ist ein strategischer Schlachtruf von Rechtsextremen in ganz Europa. In Ungarn wurden Kinderbücher zum Vehikel, um Homosexuelle und Transmenschen ihrer Verfassungsrechte zu berauben. In Freiheit leben können sie dort nicht. Aber die Österreicher finden das ja alles nicht so arg. Cancel Culture von rechts halt. Von der Polizei festgenommen wurde dann auch nur eine einzige Person: ein Unterstützer von Candy Licious.