MUSIKTHEATER Kritik
Monteverdis "L'Orfeo" als opulentes barockes Fest der Freude und des Leids
Auf dem Ring feierten am Samstag Hunderttausende die Vienna Pride, und es schien fast, als hätte es einige direkt in die Staatsoper zu Claudio Monteverdis "L'Orfeo" verschlagen. "Wir freuen uns, dass wir den schönsten Tag in unserem Leben mit so vielen lieben Freundinnen und Freunden verbringen dürfen", schallt es, während schrille Figuren durch den Zuschauerraum schreiten, mit den Gästen plaudern und Selfies schießen. Auf der Bühne ist alles für die große Hochzeitsparty von Orfeo und Euridice vorbereitet. Spektakulär auch der Auftritt von Dirigent Pablo Heras-Casado, der, begleitet von Trommelwirbel, als Zeremonienmeister Platz im Orchestergraben nimmt.
Im erleuchteten Märchenwald feiern Hirten und Nymphen, Faune und Elfen ein Bacchanal zu Moneverdis Prachtklängen. Doch die Party findet ein jähes Ende: Die Braut wird von einer Schlange gebissen und stirbt. Ein furioser Ritt durch die Unterwelt folgt. Mit lautem Krachen hebt sich der Waldboden und offenbart einen Blick auf das Reich der (Un-)Toten: Die Hochzeitsgäste haben sich in Zombies verwandelt, sie schleichen unter dem wilden Wurzelwerk umher, während Orfeo auf seiner Suche nach Euridice Proserpina, Plutone (Andreas Mastroni) und dem Fährmann Caronte (Wolfgang Bankl) begegnet, der ein Segelschiff auf dem Kopf trägt. Genial, wie Bühnen-und Kostümbildnerin Anna Fleischle zwischen den Welten wandeln lässt.
Tom Morris inszeniert ein opulentes Fest der Freude und des Leids, das optisch wie musikalisch unter die Haut geht: Der fabelhafte Concentus Musicus zelebriert Monteverdi unter Heras-Casados Leitung zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt; Bariton Georg Nigl zieht als Orfeo alle Register seines sängerischen Könnens und wandelt zwischen Virtuosität und Pathos, Fröhlichkeit und Trauer. Slavka Zamecnikova besticht als Euridice mit betörender Lyrik, Christina Bock entfaltet als Botin und Proserpina ihren kostbaren Mezzosopran. Fantastisch auch Kate Lindsey, die der Musik, der Hoffnung und dem Echo ihre Luxusstimme leiht. Es gibt für alle tosenden Applaus und Standing Ovations.
Staatsoper, Sa 19.00