PETERS TIERGARTEN
Licht aus!
Peter Iwaniewicz will wieder in der Nacht Sterne sehen können

Zeichnung: Georg Feierfeil
Mehr Licht" waren angeblich die letzten Worte Goethes. Seitdem rätselt die humanistische Welt darüber, was der Dichterfürst damit der Nachwelt sagen wollte. Manche meinen, er hätte im Frankfurter Dialekt auf seinem Sterbebett "Mer lischt"(Man liegt (hier schlecht)) geklagt oder auch nur einen helleren Kaffee verlangt.
Sicher hat er aber nicht mehr öffentliche Beleuchtung gefordert. Denn damals war man mit der aufkommenden Gasbeleuchtung der Straßen unzufrieden. In der Kölnischen Zeitung vom 28. März 1819 wurden ausführlich Gründe angeführt, warum "jede Straßenbeleuchtung verwerflich ist". Über manche Argumente können wir heute lächeln, wenn zum Beispiel dies als "Eingriff in die Ordnung und den Weltenplan Gottes" bezeichnet wird. Aber ein Punkt erscheint heute geradezu visionär: "Für den Leuchtstoff, Öl oder Steinkohlen, geht jährlich eine bedeutende Summe ins Ausland."
Die öko-physiologischen Auswirkungen auf Lebewesen einschließlich des Menschen waren damals aber noch kein Thema. Der Begriff "Lichtverschmutzung" entstand erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bezeichnet die künstliche Aufhellung des Nachthimmels durch ineffizient eingesetzte Straßenlampen, Gebäudebeleuchtungen und Leuchtreklamen. Diese strahlen einen großen Teil ihrer Energie nicht in Richtung Erde, sondern nach oben ab. Auf zehn Einwohner kommt bei uns im Durchschnitt eine Straßenlampe. Das macht ca. 800.000 Stück. Die Himmelshelligkeit ist damit in Großstädten etwa hundertmal heller als der natürliche Nachthimmel und diese Aufhellung der Nacht nimmt global jedes Jahr um bis zu acht Prozent zu.
Na und? Ja, man kann sich ignorant stellen, aber 60 Prozent aller Insektenarten und immerhin auch 30 Prozent aller Säugetierarten sind dämmerungsoder nachtaktiv. Die immer häufiger verwendeten LEDs senden kurzwelliges (blaues) Licht aus, das den Schlaf-Wach-Rhythmus von Menschen, Tieren und Pflanzen stört. Auch darüber könnte man läppisch witzeln, dass es deswegen so viele grantige Insekten gibt. Dumm, wenn diese dann ihrer Arbeit, Pflanzen zu bestäuben, nicht mehr nachkommen oder auch die Pflanzenblüte sich auf andere Zeitpunkte verschiebt. Auch die Meeresumwelt ist davon betroffen: Miesmuscheln filtern nächtens das gesamte Wasservolumen des Wattenmeers der Nordsee innerhalb von zwei Wochen. Bei Licht öffnen sie sich später und filtrieren entsprechend weniger. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt, aber nichts passiert. Warum? Weil sich dafür niemand zuständig fühlt. Ja eh, da kann man halt nichts machen.