Kino oben ohne
Die Wiener Open-Air-Kinos bieten die Gelegenheit, versäumte Filme nachzuholen oder Attraktionen der kommenden Herbstsaison schon vorab zu sehen

Ursprünglich als einmaliges Event gedacht, zählt das von Filmarchiv und Viennale gemeinsam veranstaltete Kino wie noch nie am Augartenspitz längst zu den Fixpunkten des sommerlichen Wiener Kinospiegels (Foto: Filmarchiv Austria / Sabine Maier)
Die Welt ist in einem desolaten Zustand. So auch das Dach der Hauptbibliothek am Urban-Loritz-Platz, das renoviert werden muss, weshalb das Open Air dort heuer deutlich kürzer ausfällt.
Den finalen Spieltag von Kino am Dach, es ist der 31. Juli, sollte man sich unbedingt vormerken, denn da steht eine Preview des österreichischen Science-Fiction-Films "Rubikon" auf dem Programm; er erzählt von den letzten Überlebenden der menschlichen Spezies im Jahr 2056. Regisseurin Leni Lauritsch, 34, überzeugt mit einem dystopischen Kammerspiel voll kluger Anleihen bei Genreklassikern, tollem Set-Design (Johannes Mücke) und der coolen Julia Franz Richter in der Hauptrolle.
So schaut 's aus!
Ursprünglich als einmaliges Event gedacht, zählt die vom Filmarchiv Austria und der Viennale veranstaltete Reihe Kino wie noch nie längst zu den Fixpunkten des Sommerspielplans. 60 Abende lang, von 23. Juli bis 21. August, werden der Augartenspitz und, jeweils um einen Tag versetzt, das Metro Kinokulturhaus bespielt.
Vergnügt streift das Programm kreuz und quer durch die Filmgeschichte, von der Zeit, als die Bilder laufen lernten, bis herauf zur Gegenwart: vom Early Cinema, das im renovierten Bioskop-Wanderkinozelt mit einem Handkurbelprojektor vorgeführt wird, bis zu aktuellen heimischen Produktionen, etwa Ayub Kurdwins lang erwarteter Selfie-Generations-Klamauk "Sonne" oder Marko Doringers dokumentarische Selbsterkundung "Mein Wenn und Aber".
Eigene kleine Schwerpunkte sind dem Werk der Regisseurin und Drehbuchautorin Céline Sciamma ("Porträt einer jungen Frau in Flammen") gewidmet, begleiten die 100-Jahre-Geburtstagsausstellung über Oskar Werner im Metro oder erinnern an den im April überraschend verstorbenen Willi Resetarits: Neben der Verfilmung des Günter-Brödl-Krimis "Blutrausch" und Harald Friedls sympathischem Porträt "So schaut's aus. G'schichten vom Willi Resetarits" wird auch ein "Auszug aus der Proletenpassion", dem Rockoratorium der Schmetterlinge, gezeigt - "Die Pariser Kommune", eine Rarität, von Peter Sämann anno 1978 ins Bild gesetzt.
Und weil es bekanntlich keine alten und keine neuen Filme gibt, sondern vielmehr nur solche, die man gesehen oder nicht gesehen hat, stehen zwischendurch noch etliche ausgesuchte zeitlose Klassiker auf dem Programm: von Murnaus "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens"(1922) über Chaplins "The Great Dictator"(1940) und Pasolinis "Medea" (1969) mit Maria Callas bis zu "Melancholia" (2011) von Lars von Trier.
Im öffentlichen Raum Weniger ist mehr. Diese wichtige Erkenntnis scheint das vierköpfige CineCollective beherzigt zu haben, das für Kaleidoskop, das Freiluftkino auf dem Karlsplatz, verantwortlich zeichnet. Nach zweijähriger Pause lädt Wiens zentrales Open Air mit seinem höchst diversen Programm heuer wieder zu außergewöhnlichen Entdeckungen ein.
Gespielt wird nur die erste Julihälfte, dafür gibt es schon am Eröffnungswochenende von 1. bis 3. Juli drei Österreich-Premieren. Den Anfang macht "Lingui", ein Film von Mahamat Saleh-Haroun aus dem Tschad. Anderntags folgt "Residue", das Spielfilmdebüt von Merawi Gerima, Sohn der äthiopischen Regielegende Haile Gerima - die Geschichte eines jungen Schwarzen Filmemachers, der für sein neues Projekt in das Haus seiner Kindheit nach Washington, D.C., zurückkehrt, dort jedoch ein völlig verändertes Umfeld vorfindet.
Am Sonntag schließlich erforscht Cléo Cohen in "Que dieu te protège" die Geschichte ihrer Familie und ihres jüdischarabischen Erbes; die Filmemacherin wird beim Screening anwesend sein.
Divers, barrierefrei, gratis Ähnlich wie beim Kurzfilm-Open-Air dotdotdot im Garten des Volkskundemuseums (Start: 31. Juli) schreibt man Barrierefreiheit auch bei Kaleidoskop groß: An jedem Freitag und Samstag werden auf dem Karlsplatz deshalb die Einführungen auch in Gebärdensprache übersetzt und die Filme mit zusätzlichen deutschen Untertiteln für gehörlose und schwerhörige Menschen gezeigt. All das bei freiem Eintritt.
Bleibt das Volxkino, der Pionier unter den Wiener Freiluftkinos, das wechselnde Örtlichkeiten in ganz Wien bespielt, vorzugsweise solche, wo Kultur normalerweise eher selten hinkommt. Das Programm ist bunt gemischt, es reicht von der Ukraine-Doku "Donbass" (1.7. am Meidlinger Platzl) bis zum Oscar-Film "Nomadland" (9.9., Roter Berg, Ratmannsdorfgasse).
Ein besonderer Leckerbissen ist das Festival Stumm &Laut auf dem Columbusplatz in Favoriten. Dort beginnt Mitte August die Open-Air-Kino-Saison mit Stummfilmen und elektronischer Live-Musik allmählich auszuklingen.
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Kino am Dach 1070, Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz, bis 31.7. www.kinoamdach.at
Kino wie noch nie 1020, Filmarchiv, Obere Augartenstraße 1, bis 21.8. www.kinowienochnie.at
Kaleidoskop 1040, Karlsplatz, 1. bis 17.7. (Eintritt frei) www.kaleidoskop.film
Volxkino Verschiedene Locations, bis 15.9. (Eintritt frei) www.volxkino.at
Stumm & Laut 1100, Columbusplatz, 11. bis 13.8. (Eintritt frei) www.stummundlaut.at