Wissenschaftlerin der Woche: Sonja Spitzer
Sterben Menschen aus Wiens armen Bezirken schneller an Herzinfarkten, Frau Spitzer?

Sonja Spitzer ist Gesundheitsökonomin am Institut für Demografie der Universität Wien (Foto: Marie Stoiser)
Wir wissen, dass sich die sozioökonomische Situation auf die Gesundheit auswirkt. Aber wie? Dafür haben wir die Daten von 1481 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die zwischen 2000 und 2012 wegen eines Herzinfarkts im AKH behandelt wurden - und zwar jeweils am Wochenende. Von Samstag bis Montagfrüh ist das AKH nämlich für die Akutversorgung von Herzinfarkten mit Herzkathetern von ganz Wien zuständig; somit hatten wir ein repräsentatives Sample. Wir haben diese Patienten bis 2018 beobachtet und die Ergebnisse kürzlich im Fachjournal BMJ Open veröffentlicht. Unsere Hypothese, dass Menschen aus dem ärmsten Drittel Wiens - also dem 5., 10., 11., 12., 15., 16. und 20. Bezirk - nach einem Herzinfarkt weniger Jahre überleben, wurde nicht bestätigt. Wir haben aber herausgefunden, dass Menschen, die dort wohnen, deutlich früher im Leben Herzinfarkte haben. Das Ergebnis kann aber auch mit der Altersstruktur der Bezirke zu tun haben, denn dort sind die Leute im Schnitt jünger. Diesen Zusammenhang würden wir gerne genauer untersuchen, aber dazu fehlen uns die Daten.
Von den Patienten kennen wir nur einige Risikofaktoren wie Diabetes und Bluthochdruck, aber nicht, welche Medikamente sie genommen haben oder wie oft sie bei Ärzten waren. Auch über den individuellen sozioökonomischen Status wissen wir nichts. Wir konnten lediglich ihr Umfeld angeben, indem wir das Durchschnittseinkommen der Bezirke berechnet haben. Zwar gibt es seit 1. Juli in Österreich das Austrian Micro Data Center; das enthält aber nicht die Gesundheitsdaten von den Versicherungen.
Die Lebenserwartung steigt stetig; den Zusammenhang von Alter und Krankheit, und welche Faktoren noch eine Rolle spielen, würden wir gern besser verstehen. Wenn wir länger leben, leben wir länger in Krankheit oder werden wir später krank?