Das Milliardenloch
Die Wien Energie, der größte Energieversorger des Landes, ist in schweren finanziellen Schwierigkeiten. Wie konnte es so weit kommen und warum hat die Stadt Wien nicht längst reagiert?

Illustration: PM Hoffmann
Hiob kommt unerwartet. Am vergangenen Samstagvormittag klingeln nacheinander die Mobiltelefone der Ministerinnen und Minister und hoher Kabinettsmitarbeiter der türkis-grünen Bundesregierung. Klimaministerin Leonore Gewessler ist da gerade wandern. Wirtschaftsminister Martin Kocher auf der Donauinsel beim Joggen, Bundeskanzler Karl Nehammer und seinen Finanzminister Magnus Brunner erreichen die Anrufe ebenfalls: Am anderen Ende der Leitung ist der Aufsichtsratschef der Wien Energie, Peter Weinelt. „Wir brauchen Milliarden“, sagt er.
Mit „wir“ meint er nicht irgendeinen Stromhändler, der finanzielle Schwierigkeiten anmeldet, sondern den größten Energieversorger des Landes. Die Wien Energie ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt, gleichsam der Eckstein der Energieversorgung der Metropole. Allein zwei Millionen Menschen hängen an ihr, dazu kommen 230.000 Kleinbetriebe, die Industrie und hunderte Bauern. Das Unternehmen Wien Energie macht drei Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Sie ist das Symbol der Daseinsvorsorge nach sozialdemokratischer Wiener Art: in privatwirtschaftliche Töchter ausgelagert, aber unter der Letztkontrolle der Stadt in Form des Finanzstadtrats. Und jetzt ist sie in arger finanzieller Schieflage. Wie konnte es so weit kommen?
Am Samstagvormittag versuchen sich die Ministerinnen und Minister in Telefonkonferenzen ein Bild von der Lage zu machen. Es kursieren verschiedene Zahlen über den Finanzierungsbedarf. In einem Dokument ist gar von einem Loch von zehn Milliarden Euro die Rede. Was die Beteiligten da noch nicht wissen: Auf diese Summe wird es letztlich hinauslaufen.