Welt im Zita
Fehlleistungsschau
Schauspieler, Autor, Kabarettist, Musiker und sozial engagiert: Nur Bobo will Rubey keiner sein (Foto: Heribert Corn)
Ob im Fernsehen, auf Kabarettbühnen oder zuletzt auch vermehrt in Buchhandlungen: Manuel Rubey ist gefühlt überall. Der Wiener Schauspieler hatte in den letzten Jahren einen Erfolgslauf, gebremst nur von einem Shitstorm nach seiner Teilnahme an einem Schauspieler-Protest gegen die Corona-Politik. „Es gibt Sachen, die sind einfach für nichts gut“, mehr möchte er eineinhalb Jahre danach zu der Sache nicht sagen.
Anlass für das Gespräch ist sein neues Buch „Der will nur spielen“. Rubey hat das Rauchen durchs Schreiben ersetzt, es wird also gewiss nicht sein letztes Werk bleiben. Auch der Sport ist ihm heilig. Das Interview fand beim Post SV Wien statt, wo der 43-Jährige Tennis spielt. Eine Handverletzung, die er sich beim Beachvolleyball im Urlaub zugezogen hat, verhinderte leider ein Match.
Falter: Sie sind Schauspieler, Kabarettist, Autor, Musiker und ein sozial sehr engagierter Mensch, der von Plakatwänden lächelt und sich zu vielem äußert. Ist da draußen nicht manchmal zu viel Rubey?
Manuel Rubey: Absolut. Vieles ist für mich aber nicht steuerbar. Ich habe dieses Jahr verhältnismäßig wenig gemacht. Die Plakatkampagne der Kindernothilfe, auf die Sie anspielen, war eigentlich schon vorbei. Die müssen genau aufs Geld aufpassen und verwenden nur Plakatflächen, die sie gratis zur Verfügung gestellt bekommen. Offensichtlich ist gerade so eine Phase. Sie haben sogar das Foto von mir aus dem Vorjahr verwendet und nur das Kind ausgetauscht. Für viele der Dinge, mit denen ich vermeintlich gerade präsent bin, habe ich schon lange keinen Finger mehr gerührt.
Auf die Kunst bezogen: Warum tanzen Sie auf so vielen Kirtagen?
Rubey: Ich habe das Gefühl, in dem Beruf stauen sich manchmal Dinge auf und müssen raus. Ich gebe zu, das klingt jetzt nach André Heller für Arme. Für mich ist alles ein bissl dasselbe. In welchem Genre etwas daherkommt, finde ich zweitrangig. Wenn Veranstalter nicht Plakate drucken müssten, würde ich nicht „Kabarett“ draufschreiben. Eine zweite Erklärung ist: Ich brauche immer ein gewisses Mysterium. Wenn ich mich in etwas zu sicher fühle, wird mir schnell fad. Deswegen spiele ich Tennis. Da werde ich mich immer unsicher fühlen. Ich werde es ewig lieben.
Ihr neues Buch „Der will nur spielen“ berichtet vom Leben auf Tour, geht aber auch der Frage nach, wie der kreative Prozess funktioniert. Haben Sie eine Antwort gefunden?
Rubey: Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat. Das ist leider nicht von mir, sondern von Einstein. Diese Definition finde ich sehr schön. In erster Linie braucht es Sitzfleisch. Alles, was in dem Alter noch eine gewisse Qualität haben kann, auch im Sport oder in einer Ehe, erfordert Disziplin. Ich habe viele Bücher von großen Leuten übers Schreiben gelesen, etwa die Tagebücher von Thomas Mann oder Stephen King. Was sich durchzieht, ist, dass diese Menschen täglich am Schreibtisch erscheinen. Das kenne ich auch von mir selber. Wenn ich mich nicht diszipliniere, passiert recht schnell auch gar nichts mehr.
Sie schreiben jeden Tag. Was gibt Ihnen das?
Rubey: Pathetisch gesprochen hat mich das Schreiben gerettet. Weniger pathetisch: Ich mag unaufwendige Dinge. Schreiben ist wie Gehen oder Laufen. Und es gibt mir Struktur. Ich halte dadurch meine Dämonen auf Distanz. Im Familienalltag wie auf Tour sind es die Minuten oder Stunden, die nur mir gehören. Es ist eine Spielwiese. Vor allem das absichtslose Schreiben in der Früh, das auf nichts hinzielt, finde ich wunderbar. Früher bin ich aufgestanden, um zu rauchen. Jetzt schreibe ich und lerne mich besser kennen.
Ist das immer schön?
Rubey: Nein. Aber es hilft oft, sich in seiner gesamten Bandbreite mit Licht und Schatten zu erkennen.
Sie haben ein bisschen den Ruf des Oberbobos. Dabei wollen Sie genau das gar nicht sein.
Rubey: Ich habe einmal gesagt, dass es mir am Arsch geht, als Paradebobo aus dem siebenten Bezirk wahrgenommen zu werden. Ich hab kein Umfeld wie so viele der Leute, die auf Kunst machen können, weil sie in Eigentumswohnungen leben und eh nie Geld verdienen müssen. Die wählen grün und fahren BMW. Ich dagegen weiß, ich werde nichts erben, und habe nie im Siebenten gewohnt. Ich habe mir die Dinge schon selbst erarbeitet.
Sie fahren auch keinen BMW oder einen SUV?
Rubey: Ich fahre einen VW-Bus, weiß aber gar nicht genau, was für einer das ist. Es interessiert mich auch überhaupt nicht. Er ist rot und hat neun Sitze. Eigentlich würde ich gerne ohne Auto auskommen. Aber wir haben ein Haus im Waldviertel und es ist tatsächlich nicht möglich, ohne Auto hinzukommen. Generell bemühe ich mich und höre auf meine Kinder. Die sagen: Nein, jetzt fliegst du nicht nach Berlin, sondern fährst mit dem Nachtzug.
Das befolgen Sie dann auch?
Rubey: Meistens.
In Ihrem Kabarettprogramm „Goldfisch“ zieht Ihre Frau aus. Wie viele Leute haben das geglaubt?
Rubey: Sehr viele. Ich wollte von realen Konflikten ausgehen und das Szenario überhöhen. Es geht darum, die Katastrophe fernzuhalten, indem man darüber spricht. Wir haben als Reaktion auf das Programm auch geheiratet. Es ist ja bekannt, dass Beziehungen etwas sehr Brüchiges sind. Sie sind eine große Challenge. Wenn man sich umschaut, ist man ja schon eher in der Minderheit. Im Grunde leben wir fast ein ÖVP-Familienbild: Die Kinder haben immer noch die gleichen Eltern, sie sind immer noch zusammen und sogar verheiratet.
Sie schreiben im Buch, dass Sie sehr viel von Ihren Töchtern und Ihrer Frau lernen. Zum Beispiel?
Rubey: Sie bringen mir bei, dass es schön ist, am Leben zu sein.
Das wussten Sie nicht?
Rubey: Theoretisch schon. Aber sie können den Zauber der kleinen Dinge besser zelebrieren. Das lerne ich von ihnen. Und eben auch, dass man nicht parallel an einen Text denkt, der fertig zu machen ist, während man gemeinsam Zeit verbringt. Dann spielen wir Karten und machen nichts anderes. Wir schauen auch nicht aufs Handy.
Sie plädieren dafür, Smartphone und Social Media möglichst wegzulassen. Dafür posten Sie allerdings ziemlich viel. Wie konsequent sind Sie?
Rubey: Gar nicht. Aber ich würde es gerne einschränken. Ich schreibe solche Sachen zuallererst für mich selber auf. Vielleicht wird es dadurch schon etwas besser. Zumindest ist man sich des Problems bewusst. Auch hier lerne ich von den Kindern. Die Große überlegt, ob sie das Smartphone weglassen soll. Ich versuche mich auszutricksen und das Telefon so oft wie möglich nicht dabeizuhaben.
Sie sind ohne Fernseher aufgewachsen. Waren Ihre Eltern Späthippies?
Rubey: Ich glaube, sie würden sich gegen den Begriff verwehren. Beide stammen aus ganz strengen katholischen Familien. Aus dem heraus wollten sie vieles anders machen. Dadurch kam ich auch in die Waldorfschule. Viele Alternativen gab es zu der Zeit nicht. Fußball und Fernseher waren verboten. Daran haben sich meine Eltern gehalten.
Warum durften Sie nicht Fußball spielen?
Rubey: Damals war die Waldorf-Meinung: Mit dem Fuß auf etwas zu treten, befördert die Aggressivität. Ich weiß nicht, ob das heute noch gilt. Meine Eltern haben das jedenfalls durchgezogen. Ich durfte auch keine T-Shirts mit Comic-Aufdruck tragen. „Knight Rider“ habe ich irgendwann nachgeschaut, aber das war leider zu spät. Es ist ja auch nicht so prickelnd, ein Tennismatch nachzuschauen. Mangels Alternativen habe ich als Kind zumindest viel gelesen.
Haben Sie von Ihren Eltern ein gewisses Revoluzzertum eingeimpft bekommen?
Rubey: Eigentlich bin ich ein Versöhner. Mein Vater war Autoritäten gegenüber extrem kritisch. Er hatte mit jedem Polizisten sofort irgendeinen Konflikt. Ich hatte als Kind das Gefühl, ich muss das ausgleichen. Das Revoluzzertum musste ich mir später erst wieder erarbeiten. Ich habe auch einen radikalen Kunstbegriff mitbekommen. Mein Vater hat mich zu neunstündigen Festwochen-Inszenierungen von belgischen Tanztheatergruppen mitgenommen. Bitte, ich war sieben. Manches war verstörend. Er hat es aber sehr gut gemeint. Geprägt hat mich, dass er Hausmann war. Damit warst du damals wirklich ein Exot. Wenn er, mein kleiner Bruder und ich zum Konsum gegangen sind, war das ein Auftritt. Kurz wurde es ganz still und alle haben geschaut.
Wie funktioniert die Arbeitsteilung im Hause Rubey? Stichwort: halbe-halbe.
Rubey: Ich mache gerne klassische Hausarbeit, das kommt mir zupass. Ich putze gern, ich wasch gern Wäsche, bügle, stehe in der Küche. Wenn ich da bin, funktioniert das 50:50 relativ gut. Ein echtes Männerproblem ist leider, Familientermine am Schirm zu haben: die Arzttermine der Kinder, Schulsachen, diesen ganzen Irrsinn. Das ist eine Riesenagenda, die meine Frau über hat. Insofern ist die Bilanz durchwachsen. Aber wir sind gut eingespielt nach 18 Jahren. Vieles haben wir uns erstritten.
Kommt noch Fleisch auf den Tisch?
Rubey: Gibt’s noch. Das große Kind ist aber am Sprung zur Veganerin. Ich versuche, nur mehr einmal die Woche Fleisch zu essen. Der gute, alte Sonntagsbraten ist das Ziel. In Bioqualität muss man sich das erst leisten können, das ist das große Dilemma. Da bin ich natürlich in einer privilegierten Position.
Wie sehen Sie die Debatten um Cancel Culture und Wokeness?
Rubey: Vieles ist wichtig. Aber wenn man es konsequent weiterdenkt, führt es den Schauspielerberuf ad absurdum. Ich dürfte irgendwann nur mehr mich selbst spielen. Insofern ist es spannend, aber da und dort nicht unproblematisch. Man ist dadurch nur mehr auf der Hut. Für die Arbeit finde ich das kontraproduktiv. Es ist wichtig, auch mal in den Gatsch greifen zu dürfen.
Aber es schadet ja nicht, wenn man darauf achtet, was man wie zu wem sagt.
Rubey: Das stimmt. Aus meinem privilegierten, heteronormativen, urbanen Blickwinkel hätte ich das allerdings vor zehn Jahren auch schon gewusst, als es noch nicht so Thema war. Ich bin Generation Tocotronic. Von denen habe ich gelernt, wie man sich als weißer Mann verhalten soll und dass es keine Rockposen braucht, um Rockmusik zu machen.
Wie soll man sich als Schauspieler verhalten?
Rubey: Bescheidenheit ist wichtig. Es geht mir am Senkel, Kollegen in meinem Alter mitzubekommen, die sich auf ihre Minimalerfolge extrem viel einbilden und das entsprechend zelebrieren. Dem gilt es ganz entschieden entgegenzutreten. Man muss gar nicht dauernd dankbar für alles sein. Das geht mir auch schon auf die Nerven. Aber eine gewisse Demut, in diesem Beruf arbeiten zu dürfen, steht einem gut an. Man soll einfach kein Arschloch sein. Dafür pünktlich, gut vorbereitet und höflich zu allen. Ein Filmset ist etwas wahnsinnig Hierarchisches. Deshalb muss man nicht jeden, der vermeintlich unter einem steht, wie einen Volltrottel behandeln.
In Ihrem ersten Buch haben Sie über Panikattacken geschrieben, zuvor haben Sie Ihre Dämonen erwähnt. Wo genau drückt der Schuh?
Rubey: Es gibt Phasen. Das Gehirn macht komische Dinge, manchmal kann man es eben nicht kontrollieren. Beim ersten Buch hat dieses Kapitel mit Abstand die meisten Reaktionen erhalten. Viele haben geschrieben, es habe ihnen geholfen, dass ich als öffentlicher Mensch darüber spreche. Da sehe ich mich auch als Dienstleister. Ich habe Panikattacken immer für eine Künstlergeschichte gehalten. Was soll das sein? Bis es mich selbst wirklich komplett ausgehebelt hat. Es bleibt ein Restrisiko, dass es wiederkommen kann. Für den Notfall habe ich deshalb immer etwas dabei. Ich bin wahnsinnig dankbar, dass es die Schulmedizin gibt.
Heute scheint es fast zum guten Ton zu gehören, unter etwas zu leiden. Wie sehen Sie das?
Rubey: Es ist chic. Jeder meint in Therapie gehen zu müssen. Ich habe durchs Schreiben mit den Therapieversuchen aufgehört. Damit bin ich durch. Ich schreibe es auf und sitze es aus.
Was haben Sie so an Therapien ausprobiert?
Rubey: Fast alles, von Gestalttherapie bis zur Analyse. Letztere war bizarr. Ich betrat ein Sigmund-Freud-Zimmer, wie man sich’s vorstellt. Da saß eine ältere, elegante Dame. Nach 20 fucking Minuten hat sie entschieden, dass ich von der Problematik Priorität A bin. Ich hätte vier Mal die Woche kommen müssen. Fünf, sechs oder auch sieben Jahre lang. Das wollte sie in der kurzen Zeit festgestellt haben. Da war ich raus. Diese Hybris hätte ich gern nur für eine Sekunde. Trotzdem möchte ich sagen: Vielen hilft es sehr.
Wie sieht es mit dem Trinken aus?
Rubey: Sie trinken beim Interview einen Spritzer, ich ein Cola. Das möchte ich nur festgehalten haben.
Erwischt. Was ich sagen wollte: Ihr Alkoholkonsum scheint Sie sehr zu beschäftigen, zumindest schreiben Sie viel darüber.
Rubey: Das mache ich, damit ich den Alkohol nicht verteufle oder tabuisiere. Ich habe ein gewisses Verständnis für Rausch und Drogen. Viele sagen, sie trinken nur in Gesellschaft. Ich trinke leider nicht nur in Gesellschaft. Ich trinke sogar in Gesellschaft gern einmal nicht. Ich trinke dafür gern alleine, was kaum jemand zugibt. Ich liebe es, abends Sport zu schauen und dabei Wein zu trinken. Kontrollverlust in Gesellschaft finde ich eher peinlich. Allein, wenn man danach nur noch ins Bett geht, ist es okay. Da kann nichts passieren.
Im Herbst sind Sie noch ständig unterwegs, 2023 wollen Sie Pause machen. Was ist der Plan?
Rubey: Es soll kein Sabbatical werden. Ich werde eine Bühnenpause machen und Filme drehen, für die sonst keine Zeit wäre. Mal schauen, wie es mir damit geht, weniger zu tun. Außerdem sind die Kinder schon so alt. Bevor sie ganz ausziehen, möchte ich noch Zeit mit ihnen verbringen. Und ich werde Tennis spielen.
Ist Tennis der perfekte Kick für die mittleren Jahre?
Rubey: Absolut. Fürs Tennis muss ich mich im Gegensatz zum Laufen nie motivieren. Ich kann drei Stunden geschlafen und viel zu viel getrunken haben, auf die Tennisstunde freue ich mich immer. Auch wenn ich mir nachher vor die Füße speibe. Und ganz besonders schön ist es, wenn Tobias Pötzelsberger auf der anderen Seite steht und sagt: Wir haben absolut kein Talent für Tennis, aber wir lieben es. F
Manuel Rubey
wurde 1979 geboren, studierte ein paar Semester Philosophie und Politikwissenschaft und absolvierte eine Schauspielausbildung. Bekannt wurde er zunächst als Sänger der Band Mondscheiner, der Durchbruch als Schauspieler gelang mit der Titelrolle in „Falco – Verdammt, wir leben noch!“. Heute ist er auch als Kabarettist und Autor erfolgreich und als Sänger mit der Familie lässig unterwegs
Manuel Rubey: Der will nur spielen. Molden, 192 S., € 25,–
Buchpräsentation am 13.9. im Rabenhof