Republik ohne Vertrauen: Wer wagt den Neustart?
Die Krise der Wien Energie zeigt auch, wie tief die Republik in einer Krise steckt
Foto: Viennacontemporary
Die spätsommerliche Kultursaison beginnt mit einer Reihe von Kunstevents, die das lokale Schaffen mit der internationalen Szene zusammenbringt. Anfang September geht es los mit der Parallel Vienna. Ursprünglich als alternative Messe gegründet, entwickelte sie sich zum hipsten Kunstfestival der Stadt.
Von dem Innsbrucker Kurator Stefan Bidner ins Leben gerufen, feiert die Parallel Vienna heuer von 6. bis 11. September ihr zehnjähriges Jubiläum. Bidner ist Kunsthistoriker und baute das Büro Weltausstellung zu einem wichtigen Treffpunkt der jungen Szene auf. Für die Parallel fand er immer wieder spektakuläre Orte, etwa die Alte Post im ersten Bezirk. Zu seinem Konzept gehört die Verbindung von etabliert und aufstrebend, neben Newcomern präsentiert die Parallel auch immer sorgfältig kuratierte Ausstellungen zu zeitgenössischer Skulptur und Malerei.
Außergewöhnlicher Veranstaltungsort ist erneut die Semmelweisklinik im 18. Bezirk, ein weitläufiges, schäbig-schickes Krankenhaus aus der Zeit um 1900. Das kuratorische Team lädt Künstler:innen aus dem In- und Ausland ein, ihre Arbeiten zu zeigen. Dabei werden rund 170 Räume der ehemaligen Geburtenklinik und der Krankenhausschule mit mehr als 600 künstlerischen Positionen bespielt.
Studierende mit Leinen- und Sammler mit Prada-Tasche wandern durch das Labyrinth von Krankenzimmern, wo Bilder hängen, oder durch den ehemaligen OP, der für räumliche Installationen genutzt wird. Im Innenhof gibt es an Gastroständen zu essen und zu trinken, Liegestühle laden zum Abhängen ein. Zusätzlich wird im Außenbereich der Klinik ein Performance-Programm präsentiert.
Die auf Zentral-und Osteuropa spezialisierte Kunstmesse Vienna Contemporary findet heuer von 8. bis 11. September im Kursalon Hübner, einem Gründerzeitpalazzo im Stadtpark, statt. Seit ihren Anfängen im Jahr 2015 versucht die Messe wegzukommen vom konventionellen Boxenkonzept -bei dem sich Stand an Stand reiht - und dem Publikum eine überlegte Auswahl zu bieten. Der Eigentümer der Messe war der russische Investor Dmitry Aksenov, der sich im Gefolge der Russland-Sanktionen aus dem Geschäft zurückzog. In Zukunft soll die Vienna Contemporary als Non-Profit-Organisation geführt werden.
Aksenovs Abgang ist ein Indiz dafür, dass die Veranstaltung im Zeichen des Ukraine-Krieges steht. Darauf deutet auch die Nichteinladung von Galerien aus St. Petersburg und Moskau hin sowie die künstlerische Leitung: Neben dem slowakischen Kurator Boris Ondreička, bekannt durch seine Tätigkeit im Kunstzentrum Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, gestaltet Yana Barinova das Programm der Vienna Contemporary. Barinova leitete das Kulturamt von Kiew, ehe sie aus der Ukraine nach Wien flüchtete.
Im Kursalon Hübner sind alle wichtigen Wiener Galerien mit dabei, dazu Gäste aus Litauen, Rumänien oder Slowenien. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Ukraine. Das Herzstück eines von der Erste Stiftung initiierten, mehrteiligen Programms bildet die Ausstellung "The Cockerel with Black Wings: A Recovered Heirloom" ("Der Hahn mit den schwarzen Flügeln - Ein wiedergefundenes Erbstück"), kuratiert von Kateryna Filyuk.
Dreizehn ukrainische und internationale Künstler:innen setzen sich mit der Thematik des Krieges auseinander. Die Schau ist frei zugänglich -Eröffnung am 7. September, 19 Uhr - und findet in den Räumlichen des Offspace das weisse haus (1., Hegelgasse 14) statt. Am selben Tag gibt es unmittelbar vor der Vernissage in der Aula der Wissenschaften (1., Wollzeile 27A) eine Podiumsdiskussion über ukrainische Kultur, an der auch der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkachenko teilnimmt. Finanziell gefördert wird die Messe durch die private Erste Stiftung, die mit ihrer Unterstützung für den ausgeschiedenen Investor Dmitry Aksenov einspringt.
Den Abschluss der Kunstreigens bildet das Galerienfestival Curated by, das heuer in die 14. Runde geht und von 9. September bis 8. Oktober stattfindet. Das von der Wirtschaftsagentur der Stadt Wien geförderte Event wurde gegründet, um den lokalen Kunstmarkt international bekannter zu machen. Auch hier zählt der Eventcharakter. An den Eröffnungstagen zieht der Tross von Galerie zu Galerie.
Kurator:innen organisieren in 24 Galerien eine Ausstellung, die eine lose inhaltliche Klammer hat. Heuer verfasste der belgische Ausstellungmacher Dieter Roelstraete den impulsgebenden Essay, der das Thema "Kelet" (Ungarisch für "Osten") behandelt. Roelstraete reagiert darin auf den Krieg, das traumatische Ereignis der Gegenwart. Er möchte den Osten nicht den Autokraten überlassen und fordert dazu auf, die Vorstellungen von dieser Hälfte Europas kritisch zu hinterfragen. Die Ausstellungseröffnungen in allen teilnehmenden Galerien finden am 9. und 10. September von 12 bis 18 Uhr statt.
In der Galerie Crone wählten Eva Kraus und Volo Bevza eine Gruppe ukrainischer Künstler:innen aus. Yevgenia Belorusets oder Artem Volokitin interessieren sich für das Aufeinandertreffen von realem Krieg und virtueller Kriegswahrnehmung, die durch den Gebrauch von Handyvideos und Drohnenaufnahmen geprägt wird.
Yevgenia Belorusets wurde durch ihre von Spiegel online im Frühjahr 2022 publizierten Kriegstagebücher bekannt. Artem Volokitin übersetzt digitale Bilder in traditionelle Darstellungen und hält albtraumhafte Sujets in mittelalterlicher Malweise fest.
www.parallelvienna.com, 6. bis 11.9.
www.viennacontemporary.at, 8. bis 11.9.
www.curatedby.at, 9.9. bis 8.10.