"Meine Eltern haben zu ,Zwickt's mi' geschmust"

Die Schauspielerin Katharina Straßer über den besonderen Reiz des Austropop und ihren Liederabend "Keine Angst"

GERHARD STÖGER
FALTER:WOCHE, FALTER 46/22 vom 16.11.2022

Foto: Didi Lipkovic

Die Schauspielerin Katharina Straßer, 38, gibt auch regelmäßig Musikabende. In "Alles fürn Hugo" lässt sie Kabarett-Chanteuse Cissy Kraner hochleben, die Kurzzeitkollegen und Langzeitfeinde Georg Kreisler und Gerhard Bronner brachte sie heuer für eine Hommage zusammen. Und im Programm "Keine Angst" singt sie Lieder aus fünf Dekaden Austropop - diese Woche wieder im Wiener Rabenhof.

Falter: Frau Straßer, wie sind Sie an das große Thema Austropop herangegangen?

Katharina Straßer: Ich habe ein Jahr lang am Programm gearbeitet. Theatrale Momente und ein roter Faden waren für mich als Schauspielerin wichtig, denn ein reines Konzert zu spielen, das können andere vielleicht besser. Mich irritiert immer, wenn geniale Musiker zwischen den Liedern irgendwas in ihre Gitarre nuscheln, ich bin da eher der Showtyp. Also erzähle ich nicht nur die Entwicklung des Austropop, sondern auch Geschichten aus meinem Leben. Für die Zeit vor der Geburt müssen meine Eltern herhalten: Sie haben zum Beispiel zu "Zwickt's mi" von Wolfgang Ambros das erste Mal geschmust.

Am kreativsten war der Austropop in den 70ern, am erfolgreichsten in den 80ern. Danach galt "Austropop" eine Weile fast als Schimpfwort. Wie sind Sie, Jahrgang 1984, mit ihm in Kontakt gekommen?

Straßer: Lange Zeit gar nicht, das erzähle ich eh auch. Ich bin ja in Tirol aufgewachsen. "Schifoan" und "Es lebe der Sport" kennt auch dort jedes Kind, viel mehr aber nicht. Wien ist da ungleich besser mit der Austropop-Tradition vertraut. "Ambros und Danzer, die alten weißen Herren, ich weiß nicht ", habe ich zudem in jungen Jahren gedacht. Heute sehe ich das anders, wobei ich Danzer aber nach wie vor lieber singe als höre. Der jammert nämlich immer so. Nicht nur bei ihm war die Frage: Wie kann man diese Lieder als Frau interpretieren, ohne dass es blöd wirkt?

Oder auch Sie beim Gejammer landen?

Straßer: Bei aller Wertschätzung, die ich mittlerweile für seine Emotionalität und seinen Humanismus habe: Für Danzer muss ich in der richtigen Stimmung sein, sonst macht er mich depressiv. Mein Thomas (Kabarettist T. Stipsits, Anm.) ist der größte Fan der Welt, und immer, wenn er Danzer hört, beginne ich im Schmäh zu jammern. Ein ewiger Running Gag.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Lieder für "Keine Angst" ausgewählt?

Straßer: Glaubt man dem Austropop-Experten Blacky Schwarz, würde es eineinhalb Jahre dauern, sein Archiv österreichischer Musik einmal ganz durchzuhören. Die Zeit hatte ich nicht, aber ein paar Lieder waren Fixstarter, und die anderen habe ich so ausgesucht, dass sie zur Geschichte passen. Ein Kernstück des Abends ist ein 20-minütiges Medley, das mit gut 40 teils nur als Kurzzitat enthaltenen Austropop-Songs alle Stadien einer Beziehung durchspielt, vom Kennenlernen bis zur Trennung.

ANZEIGE

Was sind Ihre Austro-Lieblingslieder?

Straßer: "Kalt und immer kälter" von STS, "Ausgeliefert" von Hansi Dujmic und "Bussi Baby" von Wanda. Auch wenn das gegen alle Regeln des Songaufbaus verstößt. Die meiste Zeit heißt es ja nur "Bussi Baby, Bussi Baby". Ich finde es trotzdem cool.

Welche Alben empfehlen Sie Menschen, die von Austropop keine Ahnung haben?

Straßer: STS ist ein guter Einstieg. Das ist ein geiler Gitarrensound, es ist poppig, hat supergeile Melodien und Refrains, geht also ins Ohr und lässt sich schnell mitsingen. Bilderbuch finde ich da vergleichsweise viel zu experimentell. Ich hätte deren "Maschin" ja gern im Programm, aber ich habe mir daran die Zähne ausgebissen.

Abschließend einige Entscheidungsfragen zum Thema: Ambros oder Danzer?

Straßer: Boah. Oh Gott. Schwer. Ambros! Weil er einen Tick positiver ist als Danzer.

Udo Jürgens oder Voodoo Jürgens?

Straßer: Udo Jürgens hatte eine unglaublich tolle Stimme, da stehe ich extrem drauf.

Falco oder Yung Hurn?

Straßer: Yung Hurn? Denn kenn i ned!

Bilderbuch oder Wanda?

Straßer: Bilderbuch! Die sind so schön crazy und verbreiten gleichzeitig einen extremen Glamour. Man hat bei Bilderbuch immer das Gefühl, die könnten auch im Madison Square Garden spielen. Außerdem sind sie weniger abgefuckt. Ich mag es, wenn man nicht den Eindruck hat, dass gleich alle zusammenbrechen.

Der Nino aus Wien oder der Anton aus Tirol?

Straßer: Aaaah, Hilfe! "Weder noch" wäre böse, aber Gerry Friedle ist ein supernetter Typ, nur macht er als DJ Ötzi nicht meine Musik. Der Nino schon eher, so wirklich aber auch nicht.

Stefanie Werger oder Soap&Skin?

Straßer: Weil beide Steirerinnen sind, oder was? Geh bitte, das geht nicht! "Stoak wie a Felsen" singe ich, Soap&Skin nicht. In dieser Musik kann man sich allerdings voll verlieren, ihre Auftritte sind weit mehr als reine Konzerte, fast schon Theaterabende, voller Überraschungen. Und die Steffi? Ist solide und bodenständig, man weiß, was man kriegt.

"Irgendwann bleib i dann dort" oder "Ham kummst"?

Straßer: Schon wieder schwierig, im Zweifelsfall aber "Ham kummst". Das habe ich jetzt zwar auch schon tausendmal gesungen, aber die Geschichte ist einfach grenzgenial.

Wie geht es Ihnen da mit der Aneignung? Der Säufer bekommt die Rechnung für seine Unzuverlässigkeit präsentiert, viele feiern "Ham kummst" aber als Partyhymne.

Straßer: In meiner Version taucht die Frau komplett fertig daheim auf, und der Mann sagt, dass es ihm reicht. Das Geschlecht spielt keine Rolle: Kommt man in der Früh einmal zu oft besoffen heim, während der andere die ganze Nacht gewartet hat, ist das einfach gschissen und wird entsprechende Konsequenzen haben. Wer "Ham kummst" als Alkoholverherrlichung hört, hört eindeutig nicht richtig hin.


Keine Angst - 50 Jahre Austropop: Rabenhof, Di, Mi 20 Uhr (weitere Termine: 13. und 14.12)

Alles fürn Hugo: Kulisse, 11.12., 11 Uhr (Matinee)

katharinastrasser.at

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Dann abonnieren Sie jetzt und bleiben Sie mit unserem Newsletter immer informiert.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,17 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!