Hochspannung
Die wichtigsten Fragen zum U-Ausschuss über die Causa Wien Energie.
Worum geht es?
Im vergangenen Sommer ist die Wien Energie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Grund waren so genannte Termingeschäfte: Das Unternehmen hatte Strom, den es noch gar nicht produziert hatte, im Voraus über eine Handelsplattform verkauft. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. Strom lässt sich ja nicht in großem Stil speichern. Wenn man weiß, zu welchem Preis man ihn als Hersteller im nächsten Jahr verkaufen bzw. als Großkunde kaufen kann, kann man damit auch vorausschauend planen.

Die Börse verlangt bei derartigen Geschäften allerdings finanzielle Sicherheiten. Der Verkäufer etwa muss beweisen, dass er genug Geld hat, um den versprochenen Strom für seine Kunden notfalls am Markt zusammenzukaufen, falls er ihn selbst nicht herstellen kann. Wie hoch diese Garantiesumme ist, hängt vom gerade aktuellen Strompreis am Großmarkt ab – solange der nicht schnell und stark steigt, ist das kein Problem. Und: Solange die vorab verkauften Mengen überschaubar sind.
Im Fall der Wien Energie kam aber offenbar beides zusammen. An einem Freitag Ende August schnalzte der Großmarktpreis (vor allem wegen des Kriegs gegen die Ukraine) plötzlich stark nach oben. Da das Unternehmen sehr viel Strom – rund zwei Drittel seiner Jahresproduktion – vorverkauft hatte, wurden so große Garantiesummen fällig, dass die Wien Energie sie nicht aufbringen konnte.
Der Staat Österreich musste mit 2 Milliarden Euro in Form von Kreditlinien einspringen. Heißt: Das Geld war nicht zu zahlen, sondern bloß für den Fall der Fälle bereitzustellen. Da der Strompreis wenig später wieder deutlich sank, musste es nicht angetastet werden, die Wien Energie war nah eigener Auskunft wenig später sogar im Plus.
Im Nachhinein stellte sich freilich heraus, dass die Stadt Wien ihrem Energieunternehmen knapp zuvor in ähnlichen Situationen bereits zweimal mit jeweils 700 Millionen Euro aus der Patsche helfen musste. SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig hatte das unter Berufung auf seine Notkompetenz stillschweigend getan. Sein Koalitionspartner, die Neos wurden erst nachträglich, die Rathausopposition vorerst überhaupt nicht informiert.
Der U-Ausschuss soll nun die Umstände all dieser Vorgänge klären.
Was werden wir erfahren?
Wie politische Entscheidungen abgelaufen sind: Die Kommission wird sich mit der Rolle von Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) in der Causa Wien Energie beschäftigen. Konkret geht es um zwei Punkte:
- Hat die Stadt als Eigentümer der Wien Energie ihre Rechte wahrgenommen und verantwortungsvoll gehandelt? In der Kommission gilt es zu klären, wann Ludwig und Hanke über die finanzielle Notlage Bescheid wussten und ob sie früh genug gehandelt haben. Die ÖVP will dafür Einblicke in Ludwigs Diensthandy sowie seinen Kalender und sonstigen Schriftverkehr, der die Causa betrifft. Die FPÖ will außerdem wissen, wann Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) über die Lage der Wien Energie Bescheid wusste.
- Ein weiteres Thema wird die Notkompetenz sein, mit der Bürgermeister Ludwig die Kreditrahmen freigegeben hat. Warum wurde der Gemeinderat erst Monate später informiert? War die Causa tatsächlich ein unmittelbarer Notfall, die den Einsatz der Notkompetenz rechtfertigt?
Was erfahren wir nicht?
Was in der Wien Energie passiert ist: Ausgegliederte Betriebe wie die Wien Energie dürfen laut Stadtverfassung nämlich nicht von U-Kommissionen untersucht werden. Eine Ausweitung der Kontrollrechte wird seit Wochen diskutiert – die Neos wollen sich das in den kommenden Monaten „anschauen”. Die SPÖ zeigt sich bislang aber eher skeptisch gegenüber einer solchen Reform. Für die Aufarbeitung zur Causa Wien Energie käme sie aber ohnehin zu spät.
Wenig Infos dürfte es auch zu den Kreditenlinien des Bundes geben – die hat die Finanzierungsagentur ÖBFA nämlich mit dem Land Wien abgeschlossen (von dem das Geld dann wiederum an Wien Energie weitergegeben wurde). Diese Untersuchungskommission behandelt aber Gemeindethemen, daher dürften Fragen zum Bundeskredit rausfallen.
Wer sitzt in der Kommission?
Insgesamt befassen sich 16 Gemeinderatsabgeordnete mit der Causa – acht Sitze gehen an die SPÖ, vier an die ÖVP, zwei an die Grünen, je einer an die Neos und die FPÖ.
Das Team der SPÖ besteht aus dem Gemeinderatsvorsitzenden Thomas Reindl sowie den Gemeinderäten Kurt Stürzenbecher, Stephan Auer-Stüger, Peko Baxant, Ilse Fitzbauer, Marcus Schober, Stefanie Vasold und Pia Maria Wieninger. Die SPÖ will in der Kommission das „verantwortungsbewusste Handeln“ der Stadtregierung hervorheben.
Die ÖVP schickt Klubobmann Markus Wölbitsch-Milan sowie die Gemeinderäte Caroline Hungerländer, Manfred Juraczka und Hannes Taborsky. Mit vier Sitzen ist die ÖVP die einzige Oppositionspartei, die eigenständig Beweisanträge einbringen kann (dafür sind nämlich 25 Prozent nötig). Alle anderen müssen sich für ihre Anträge Mehrheiten suchen.
Die Grünen werden von Klubobmann David Ellensohn und Gemeinderat Hans Arsenovic vertreten. Die FPÖ entsendet Klubobmann Maximilian Krauss.
Und bei den NEOS will Energiesprecher Stefan Gara „kritische Fragen” stellen. Nachsatz – „aber ohne Vorverurteilung”.
Wer hat den Vorsitz?
Im Gegensatz zu U-Ausschüssen im Parlament wird der Vorsitz der städtischen Untersuchungskommission nicht von Politikern geführt, sondern von ehemaligen und aktiven Richterinnen und Richtern. Eine entsprechende Reform hat der Landtag im Vorjahr beschlossen. In der Causa Wien Energie wird Martin Pühringer, Richter am Verwaltungsgericht, den Vorsitz übernehmen. Seine Stellvertreter: Elinar Sladecek, Präsident des Arbeits- und Sozialgerichts und Regine Jesionek, Senatspräsident des Oberlandesgerichts Wien. Pühringer, Sladeck und Jesionek bilden außerdem ein dreiköpfiges Schiedsgericht, das in Streitfragen eine Entscheidung trifft.
SPÖ-Fraktionsvorsitzender Reindl hat gestern übrigens angekündigt, den Vorsitz im Gemeinderat an seine Stellvertreterin Gabriele Mörk zu übergeben, sollte in einer Sitzung das Thema U-Kommission behandelt werden.
Wer wird geladen?
Über die Zeugen und die Beweisanträge wird am Freitag in der konstituierenden Sitzung am Freitag abgestimmt. Ziemlich fix auf der Ladungsliste stehen: Bürgermeister Michael Ludwig, Finanzstadtrat Peter Hanke, Magistratsdirektor Dietmar Griebler, Finanzdirektor Christoph Maschek – sowohl Opposition als auch die Regierung wollen sie als Zeugen vernehmen. Die SPÖ will zudem die Energieexperten Wolfgang Anzengruber und Johannes Benigni laden. Auch Finanzminister Magnus Brunner könnte eine Einladung erhalten.
Die ÖVP will Wien-Energie-Chef Michael Strebl, Stadtwerke-Chef Peter Weinelt, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr sowie E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch laden. Die Grünen wollen zudem Robert Zadrazil, Vorstandsvorsitzenden der UniCredit Bank Austria, vernehmen. Er soll Auskunft geben, warum die Bank Austria der Wien Energie keine Geldgarantien zusagen wollte.