KUNST Kritik

Maxi-Augenmerk auf Mini-Ecke

NICOLE SCHEYERER
Lexikon, FALTER 48/22 vom 30.11.2022

Vor sieben Jahren zog Bianca Pedrina aus der Schweiz in jene Stadt, aus der ihre Großmutter einst vor den Nazis flüchten musste. Jüngst erhielt die 1985 in Basel geborene Wahl-Wienerin sogar die österreichische Staatsbürgerschaft, weil sie die Nachfahrin einer NS-Verfolgten ist. Bei den Fotografien ihrer aktuellen Schau "Desire Lines" im Kunstraum Kluckyland geht es zwar auch um Spuren, aber nicht um historische, sondern um solche im öffentlichen Raum.

Pedrinas Interesse gilt "Bottomup-Architecture", also wenn Menschen eigenmächtig gestalten oder verändern, was so von der Planung so nicht vorgesehen ist. So etwa ein Rohr, das auf einem der Fotos unter einem Pflasterstein versenkt wurde. In Seoul hat die Künstlerin ein absurdes Antikenrelief aus Styropor festgehalten, das für eine Lüftung zerschnitten wurde.

Ein winziges Detail im Ausstellungsraum wurde zum Ausgangspunkt der größten Arbeit: Durch einen Planungsfehler beim Umbau des Offspace entstand in einer Ecke ein winziger Sockel, den Pedrina fotografiert und als Bodenarbeit "Klucky Corner" riesig vergrößert hat. Eine Panne wird zu einer Art Bühne. In der Schau selbst reizt der Vergleich zwischen XL-Bild und der echten Ecke zum Schmunzeln. Eine schöne Idee, die für anarchistisches Gestaltungspotenzial plädiert.

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