Öffentlich-rechtlich? Wer davon nicht reden will, schafft es ab
Über das Problem öffentlich-rechtlicher Medien und einige landestypische Weisen, sich dazu zu verhalten
Königin auf der Flucht: Saoirse Ronan in „Mary – Queen of Scots“ von Josie Rourke, 2018 (Foto: Filmarchiv Austria)
Warum sich Schauspielerinnen und Schauspieler darum reißen, gekrönte Häupter zu verkörpern? Ganz einfach deshalb, weil es die Chancen auf einen Oscar oder wenigstens eine Nominierung markant erhöht. Rekordhalterin ist vermutlich Judi Dench, die für ihren Gastauftritt als Queen Elizabeth I. in der Komödie "Shakespeare in Love" (gefühlte On-Screen-Time: sechseinhalb Minuten) 1999 als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde - minimaler Aufwand, maximales Resultat.
Das gilt freilich nicht für die Filme selbst, denn diese wenden meist ungeheure Produktionsmittel dafür auf, Fürstentümer und Kaiserhöfe vergangener Jahrhunderte in all ihrem Pomp wiederauferstehen zu lassen. "Cinema Royal: Mit Sissi, der Queen und Co im Kino", eine Retrospektive im Metro Kinokulturhaus, veranschaulicht das auf eindrucksvolle Weise.
Die Retro zeigt Produktionen aus über einem Jahrhundert Filmgeschichte: vom frühen herrschaftlichen Dokument "Kaiser Franz Josef in Bad Ischl" (1910) bis zu Marie Kreutzers spaßig revisionistischem Sisi-Biopic "Corsage"(2022).
Die Mythen der Monarchie konnte sich der Film als seinerseits Mythen schaffendes Medium nicht entgehen lassen, heißt es in "Königinnen", einem Buch der deutschen Filmhistorikerinnen Daniela Sannwald und Christina Tilmann, "umso mehr als das Kino von jeher Raum für Projektionen war und seine Stars stellvertretend in dem Glanz lebten und leben, den jedes Mädchen in seinen Prinzessinnenträumen ersehnt".
Umgekehrt gehören auch entlaufene Thronfolger, die Abstand zu den Zwängen der Tradition suchen, seit jeher zum Inventar des royalen Kinos. Ihre charmanteste Personifikation fand diese Figur in Audrey Hepburn, die im Hollywoodklassiker "Roman Holiday" (1953) als Kronprinzessin eines ungenannt bleibenden Landes ausbüxt und mit einem amerikanischen Reporter (Gregory Peck) die Geheimnisse von Rom erkundet. Dass diese romantische Komödie für zehn Oscars nominiert war und Princess Hepburn als Beste Schauspielerin triumphierte, versteht sich fast von selbst.
Verzicht ist häufig ein Begleiter der Blaublütigen im Kino. Glück, so nochmals Sannwald und Tilmann, scheint in ihrem Portefeuille nicht vorgesehen und "die Liebe ein Opfer, das der Macht zu bringen ist". Die österreichische "Sissi"-Trilogie der 1950er mit Romy Schneider und reichlich Zuckerguss stellt eher schon die Ausnahme von dieser Regel dar.
Eine fiktive Leidensgeschichte erzählt Wilhelm Thieles "Großfürstin Alexandra". Und zwar in Form einer musikalischen Komödie, deren Herstellung 1933 die kolossale Summe von 800.000 Schilling verschlang. In der Titelrolle spielt Maria Jeritza, eine international gefeierte Opernsängerin, die hier zum ersten und letzten Mal vor der Kamera stand.
"Großfürstin Alexandra" ist ein "Emigrantenfilm". Mit Blick aufs Produktionsjahr könnte man die Geschichte der russischen Adeligen, die sich vor der Revolution 1917 nach Wien retten, auch als Parabel auf den Exodus aus dem Deutschen Reich verstehen. Anders als Geflüchteten heute bleibt jenen im Film der hiesige Arbeitsmarkt nicht lang verwehrt: Die stimmgewaltige Großfürstin findet ein Engagement an der Staatsoper, ihr treuer Begleiter Nikolai (Leo Slezak) macht Karriere als Fremdenführer.
Die britische Hocharistokratie, und hier vor allem jene des elisabethanischen Zeitalters, dominiert die Filmschau. Sei es in Person von Shakespeares schottischem König Macbeth, dessen Tragödie in den grandiosen Verfilmungen von Orson Welles (1948) und Roman Polanski (1971) auf dem Programm steht. Oder sei es anhand real existierender Monarchinnen wie Elizabeth I. und Maria Stuart, deren Rivalität um Englands Thron quasi zu den Klassikern im royalen Genre zählt.
Während frühere Bearbeitungen des historischen Konflikts einer der Kombattantinnen klar den Vorzug gaben, stehen sich in Josie Rourkes Königinnendrama "Mary - Queen of Scots"(2018) zwei ebenbürtige Frauen gegenüber - verkörpert von zwei gleich starken Schauspielerinnen, Saoirse Ronan (Maria) und Margot Robbie (Elizabeth). Zudem kämpfen sie weniger gegeneinander als jeweils gegen den intriganten männlichen Hofstaat, der sie umgibt.
Als Drehbuchautor zeichnet Beau Willimon verantwortlich, ehemals Kampagnenmitarbeiter Hillary Clintons und führender Kopf hinter "House of Cards". Entsprechend düster ist der Film, voll doppelbödiger Dialoge und aktueller Bezüge. Er beginnt mit dem Ende, Maria Stuarts Gang zum Schafott, mithin: der Enthauptung Schottlands.
Retrospektive Cinema Royal: Metro Kinokulturhaus, 8.12. bis 18.1.