Der zarte Berserker
Balzac ist zurück: Zwei Neuübersetzungen und eine fulminante Verfilmung belegen die Aktualität des großen französischen Romanciers und Desillusionisten

Nein, er hat keinen runden Geburts- oder Todestag: Honoré de Balzac (1799–1850) ist einfach so aufregend gut (Abbildung: Benjamin Roubaud/Public Domain)
Du bist die Hure für die Reichen." "Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das." Diese Sätze, wahre Trouvaillen der Philanthropie, finden sich in den Chats von Thomas Schmid, könnten aber auch aus Honoré de Balzacs "Menschlicher Komödie" stammen.
Dem 1850 im Alter von nur 51 Jahren verstorbenen französischen Meisterrealisten blieb es versagt, sein gigantisches, ursprünglich auf rund 140 Romane angelegtes Gesellschaftspanorama der Restauration, also der Zeit zwischen der Abdankung Napoleons und der Juli-Revolution von 1830, zu vollenden. Das Personal, das Balzacs 91 Romane und Erzählungen bevölkert, ist schier unüberschaubar, weswegen die Statistik auch entsprechend unseriös ausfällt: Stefan Zweig kam auf "dreitausend bis viertausend Personen", andere bieten noch ein- bis zweitausend mehr. Einige der Figuren haben Auftritte in mehreren Dutzend Romanen, der eigentliche Protagonist aber ist keine Person, sondern jenes Medium, das alle miteinander verbindet und buchstäblich am Laufen