Das Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Sicht von Heranwachsenden: Das ist die Perspektive, die Ralf Rothmann für seine Roman-Trilogie gewählt hat. Sie sorgt für Leichtigkeit und Schwere zugleich. Der Erzähler schlüpft in die Haut seiner Eltern Walter und Elisabeth sowie einer "Tante" namens Luisa und begleitet sie durch eine grausame Zeit.
Im ersten Band "Im Frühling sterben" (2015) muss der 17-jährige Walter in den letzten Kriegswirren an der Erschießung eines desertierten Freundes teilnehmen. "Der Gott jenes Sommers"(2018) berichtet aus der Sicht der zwölfjährigen Luisa. Die ganze Größe seiner Kunst zeigt Rothmann im letzten Band, der Elisabeth zur Protagonistin macht. Sie versucht, die traumatischen Kriegserlebnisse durch verzweifelte Vergnügungssucht zu betäuben. Bücher, die man nicht mehr vergisst.
Ralf Rothmann: Die Nacht unterm Schnee. Suhrkamp, 304 S., € 24,70
Jimmy heißt eigentlich Željko und wächst, umgeben von gigantischen Industrieanlagen, im deutschen Ludwigshafen auf. Seine Eltern sind Kroaten aus der Herzegowina, so wie jene von Martin Kordić. Trotzdem darf man den zweiten Roman des deutschen Autors nicht als Autobiografie lesen. Er erzählt die berückend schöne und tief traurige Beziehung Jimmys mit der um Jahrzehnte älteren Professorin Martha.
Liebes-,Migrations-,Bildungsund Coming-of-Age-Geschichte verschränken sich so stimmig, wie es im echten Leben kaum passiert. Aber die Überzeugungskraft gelungener Kunst liegt ja gerade darin, das Konstruierte realistisch erscheinen zu lassen. Poetisch und philosophisch, mit gekonnt gesetzten Leerstellen und Verweisen auf die Dichterin Hertha Kräftner und den Popstar Michael Jackson schafft Kordić einen echten Lesegenuss.
Martin Kordić: Jahre mit Martha.S. Fischer, 287 S., € 24,70