PETERS TIERGARTEN

Einhorn-Terror

Peter Iwaniewicz wirft einen rosa Schatten auf die Marketing-Welt

Peter Iwaniewicz
Natur, FALTER 50/22 vom 14.12.2022

Zeichnung: Georg Feierfeil

Nachrichten, die die Welt bewegen: Ein Mädchen im Volksschulalter aus Los Angeles namens Madeline schreibt an die dortige Tierschutz-Behörde einen Brief mit der Bitte um Genehmigung, ein Einhorn im Hinterhof zu halten, falls sie ein solches findet. Das Department of Animal Care and Control genehmigt dies unter den Auflagen, dass das Tier von Sonnen- und Mondlicht beschienen wird, es Zugang zu Regenbögen hat und mit Wassermelonen gefüttert wird. Das Horn soll regelmäßig poliert werden und darauf angebrachtes Glitzerzeug muss ungiftig sein.

So weit, so lustig. Da aber die Behörde dies auf Facebook postete, wurden diese News weltweit von quasi jedem Medium übernommen. Ein paar Fragen stellen sich aber schon: Handelt es sich dabei um ein Kind von übermotivierten Juristen, das schon als Siebenjährige genötigt wird, solche Ansuchen beim Amt einzubringen? Wieso sieht dieser handgeschriebene Brief so aus, als ob ein Erwachsener versucht hätte, wie ein Kind zu schreiben? Und ist die Auflage, Wassermelonen zu verfüttern, bei Einhörnern wirklich angebracht? Diese Früchte enthalten die Aminosäure L-Arginin, die bei Hengsten zu einer erhöhten sexuellen Erregbarkeit führen kann.

Genug läppisch gewitzelt, die eigentliche Frage ist, was hat es mit diesem Einhorn-Hype auf sich? Das private deutsche Eisenbahnunternehmen Locomore erlaubte die kostenlose Mitnahme eines Einhorns in Begleitung eines Kindes unter 14 Jahren. Vermutlich musste dieses Start-up deswegen 2017 Insolvenz anmelden.

Google Trends listet bei Suchanfragen mit dem Wort "Einhorn" verbundene Begriffe wie Schminke, Kostüm, Bier und Kondome auf. Rosafarbene Smoothies sind bei Kindern als "Einhornkotze" sehr beliebt, und rosa Slime verkauft sich gut als "Einhornkacke".

Dabei ist alles ein Irrtum: Antike Bilder von Auerochsen oder Zebus wurden immer streng im Profil dargestellt, sodass das zweite Horn hinter dem ersten verborgen bleibt.

Seit dem Mittelalter wurde der Stoßzahn des Narwals als Horn des Einhorns gehandelt, da schon damals die Nachfrage danach wegen seiner angeblich magischen Schutzwirkung gegen Vergiftungen an den Fürstenhäusern sehr groß war.

Tipp für gemeine Eltern: Wenn die Kinder vor der großen Geschenksause nerven, dann lockt man sie in die Schatzkammer der Hofburg, weil dort etwas von einem Einhorn zu sehen ist. Und zeigt ihnen dann das Erbstück des Hauses Habsburg, den Narwalzahn, "Ainkhürn" genannt.

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