Blattkritik
Karl Marx mit Tattoos: der Spiegel startet mit einem gut gemachten Debattencover ins Jahr
Es ist erst das fünfte Mal seit 1970, dass der Spiegel Karl Marx aufs Cover hebt. Aber so verschmitzt sympathisch sah er dabei noch nie aus wie heuer. Voller symbolisch aufgeladener Tattoos auf den Unterarmen, darunter ein Recycling-Symbol, mit einer Halskette mit einem kleinen goldenen Windrad und einem "There Is No Planet B"-Button am grünen Hemd.
Eindeutig die Botschaft: Marx ist wieder cool, Kapitalismuskritik in Zeiten von Energiekrise, Krieg und Postpandemie hat ihren Schrecken verloren. Die Zeitenwende, die alle herbeibeschwören, muss auch für die Ökonomie gelten. Nieder mit dem Neoliberalismus, hoch dem nachhaltigen, ökosozialen Wirtschaften ohne Wachstumsund Selbstausbeutungsfetisch. Und der "Sozialismus", das Pfui-Wort der letzten Jahrzehnte, gehört rehabilitiert.
In der fast 40.000 Zeichen starken Titelgeschichte (das entspricht einem ordentlichen Kapitel in einem Sachbuch) lassen die Autoren die größten Stars der zeitgenössischen Kapitalismuskritik als Zeuginnen aufmarschieren, von Mariana Mazzucato bis Kohei Saito.
Zum Jahresstart wollte man sich ganz offensichtlich als zeitgeistig positionieren und damit auch eine jüngere Leserschaft begeistern. Denn es sind vor allem die Millennials, die mit Marx und Sozialismus unbefangen flirten. Das ist gelungen.