Blattkritik

Karl Marx mit Tattoos: der Spiegel startet mit einem gut gemachten Debattencover ins Jahr

BARBARA TÓTH
Medien, FALTER 02/23 vom 11.01.2023

Es ist erst das fünfte Mal seit 1970, dass der Spiegel Karl Marx aufs Cover hebt. Aber so verschmitzt sympathisch sah er dabei noch nie aus wie heuer. Voller symbolisch aufgeladener Tattoos auf den Unterarmen, darunter ein Recycling-Symbol, mit einer Halskette mit einem kleinen goldenen Windrad und einem "There Is No Planet B"-Button am grünen Hemd.

Eindeutig die Botschaft: Marx ist wieder cool, Kapitalismuskritik in Zeiten von Energiekrise, Krieg und Postpandemie hat ihren Schrecken verloren. Die Zeitenwende, die alle herbeibeschwören, muss auch für die Ökonomie gelten. Nieder mit dem Neoliberalismus, hoch dem nachhaltigen, ökosozialen Wirtschaften ohne Wachstumsund Selbstausbeutungsfetisch. Und der "Sozialismus", das Pfui-Wort der letzten Jahrzehnte, gehört rehabilitiert.

In der fast 40.000 Zeichen starken Titelgeschichte (das entspricht einem ordentlichen Kapitel in einem Sachbuch) lassen die Autoren die größten Stars der zeitgenössischen Kapitalismuskritik als Zeuginnen aufmarschieren, von Mariana Mazzucato bis Kohei Saito.

Zum Jahresstart wollte man sich ganz offensichtlich als zeitgeistig positionieren und damit auch eine jüngere Leserschaft begeistern. Denn es sind vor allem die Millennials, die mit Marx und Sozialismus unbefangen flirten. Das ist gelungen.

ANZEIGE

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Dann abonnieren Sie jetzt und bleiben Sie mit unserem Newsletter immer informiert.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Medien-Artikel finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,17 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!