Bis in den hintersten Winkel
Die niederösterreichische Landespartei ist nach dem politischen Ende von Sebastian Kurz die stärkste Macht in der ÖVP. Und muss jetzt ein Heimspiel gewinnen
Do-it-yourself-Wahlwerbung der niederösterreichischen Volkspartei: NÖ statt ÖVP (Foto: Facebook/Miteinander Vösendorf)
Das gerollte „R“ hallt von den Glaswänden des Forum Landhaus im Regierungsviertel von St. Pölten wieder: „Rennen! Rennen! Rennen!“ Es ist ein Heimspiel für Johanna Mikl-Leitner, eine willkommene Gelegenheit, die Funktionäre zu motivieren. Der Neujahrsempfang des niederösterreichischen Gemeindebundes ist ein Fixtermin im Kalender der Landeshauptfrau, so kurz vor einer Landtagswahl erst recht. Die 300 Gäste sind Vertreter von Gemeinden aus ganz Niederösterreich. Sie werden an diesem Tag noch lange bei Hausmannskost, Bier und Winzersekt zusammenstehen. Und dann in ihren Heimatgemeinden für die Volkspartei rennen.
Am 29. Jänner wird in Österreichs größtem Bundesland ein neuer Landtag gewählt. Die Wahl in Niederösterreich ist aber mehr als das. Der Urnengang gilt vielen politischen Beobachtern als ein wichtiger Wegweiser für die österreichische Innenpolitik. Der Wahltermin überschattet seit Monaten die Regierungsarbeit in Wien. Ein respektables Ergebnis von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wäre auch für Bundeskanzler Karl Nehammer eine Befreiung. Seit das türkise Experiment mit Sebastian Kurz implodiert ist, füllen die Niederösterreicher das entstandene Machtvakuum in der Volkspartei. Die Landesgruppe ist nicht nur die eiserne Personalreserve der ÖVP, sondern auch die kampagnenstärkste Organisation innerhalb der Volkspartei.
Die Ferstlergasse in St. Pölten ist voll auf Wahlkampf getrimmt. In der kleinen Sackgasse, die parallel zum Traisenufer verläuft, hängt an jedem Laternenpfahl ÖVP-Werbung in den Landesfarben Blau und Gelb. Die Botschaft ist klar: Hier wohnt die Volkspartei. Im Haus mit der Anschrift Ferstlergasse 4 residiert die niederösterreichische Volkspartei mit all ihren Teilorganisationen. Das Gebäude, dessen Form ein wenig an einen Schiffsrumpf erinnert, wird in der Partei „Haus 2.1“ genannt. Errichtet wurde es unter der damaligen Landesgeschäftsführerin Johanna Mikl-Leitner vor etwas mehr als 20 Jahren. Im vierten Stock hat ihr Nachfolger Bernhard Ebner sein Büro. Er begrüßt Besucher aus Wien mit einem besonders deutlichen „Grüß Gott“.