Buch der Stunde

Hat Nutztierzucht ein Ablaufdatum? Und was dann?

CHRISTOF MACKINGER
Feuilleton, FALTER 04/23 vom 25.01.2023

Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft", soll der Geschäftsführer eines Fleischkonzerns einmal gesagt haben. Könnte Fleischessen bald ebenso verpönt sein wie das Rauchen? Der deutschen Autorin Friederike Schmitz geht es mit "Anders satt" nicht um Fleischesser-Shaming. Ihr Fazit aber lautet ganz klar: Der Umfang der Tierproduktion muss drastisch gesenkt werden - und zwar so schnell wie möglich. Sie erklärt die Probleme der Nutztierzucht und warum die Zukunft eine vegane sei.

Akribisch trägt die studierte Philosophin unzählige Studien zu klimaschädlichen Aspekten der Tiernutzung zusammen; sie erklärt das steigende Risiko von Viruserkrankungen, die vom Tier auf den Mensch übergehen können, und beleuchtet, was das Ganze für die Vierbeiner bedeutet - die ja nicht nur Methan rülpsen und Grundwasser verbrauchen, sondern oft ein Leben zwischen Gitterstäben fristen, bevor sie im Schlachthaus enden.

"Anders satt" prägen aber weniger deprimierende Fakten als vielmehr Ausstiegsszenarien: Die Autorin besucht bio-vegane Landwirtschaften und einen veganen Ziegenhirten, der seine "Arbeitskolleginnen" weder melkt noch schlachtet. Sie taucht ein in die Lebensmitteltechnologie, die Produktion pflanzlicher Fleischalternativen, und fragt nach, wie viel CO2 eingespart werden könnte, wenn Ackerflächen für Tierfutter renaturiert würden. Auch einer Diskussion über die Almwirtschaft stellt sich Schmitz: Rechtfertigt die Erhaltung der Kulturlandschaft die Schlachtung von Tieren? Ist sie wirklich so ökologisch wie ihr Ruf? Gäbe es Alternativen?

"Anders satt" stellt unangenehme Grundsatzfragen und versammelt Studien, die Vor- und Nachteile der rein pflanzlichen Lebensmittelproduktion diskutieren. Auch wenn man ihre Schlüsse nicht teilen mag: Schmitz liefert die Basis für eine informierte Diskussion darüber, ob eine Wirtschaft mit Tierzucht in Zeiten wie diesen noch vertretbar ist.


Friederike Schmitz: Anders satt. Wie der Ausstieg aus der Tierindustrie gelingt. Ventil, 376 S., € 22,70

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