Die heißeste Phase ihres Lebens
Viele wandern, manche verändern sich, mehrere schrumpfen, einige sterben aus. Neue Studien und Erhebungen belegen, wie gravierend, vielfältig und umfassend sich die Klimakrise bereits heute auf die Tierwelt auswirkt – auch in Österreich
In einem Hotelzimmer in der Karibik zielt der Evolutionsökologe Colin Donihue im Dienste der Wissenschaft mit einem Laubbläser auf eine Eidechse und schaltet das Gebläse ein. Erst huscht das Tier auf die windabgewandte Seite einer Stange, als der Wind stärker wird, klammert es sich fest. Bei 106 km/h verlieren die Hinterbeine den Halt, bei 135 km/h flattern sie in der Luft. Schließlich fliegt das Tier von der Stange und landet im Sicherheitsnetz.
Das Experiment hatte Donihue schnell zusammengeschustert. 2017 hatte er auf den karibischen Turks- und Caicosinseln Anolis-Eidechsen vermessen. Vier Tage nachdem er die Arbeit beendet hatte, fegte der Hurrikan Irma über die Karibik. Zwei Wochen später folgte Hurrikan Maria. In Zeiten der Klimakrise, in der die Zahl und die Intensität der Wirbelstürme zunehmen, stellte Donihue eine hochaktuelle Forschungsfrage: Kann ein Hurrikan die Evolution beeinflussen?
Also kehrte er auf die Inseln zurück und vermaß die Eidechsen erneut. Die überlebenden Exemplare hatten deutlich größere Haftpolster an den Zehen und längere Vorderbeine – damit konnten sie sich im Sturm besser halten. Die Hinterbeine waren hingegen kürzer, senkten damit im Wind die Zugkraft. Zwei weitere Messungen im Jahr darauf zeigten: Der Nachwuchs hatte die Merkmale der überlebenden Eltern übernommen.