Eine barocke Helikoptermutter
Bücher, kurz besprochen
Die Herrscherin Maria Theresia hat es der französischen Philosophin Elisabeth Badinter angetan. Vor fünf Jahren legte sie eine Biografie vor, nun folgt eine Art Spinoff, ein Porträt Maria Theresias als Mutter. Mutterschaft hat Badinter immer schon intensiv beschäftigt (siehe "Wieder gelesen"). Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) war 16-fache Mutter, sechs Kinder starben allerdings vor ihr, drei sehr früh, drei, bevor sie erwachsen waren. Die Pocken waren damals die Ursache. Die Kindheit, wie wir sie kennen, war zu Maria Theresias Zeiten noch nicht erfunden. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschte das augustinische Weltbild. Kinder galten als unfertige Erwachsene, mit der Erbsünde belastet, unwissend, wankelmütig, schuldig. Die Erziehungsmethoden waren repressiv, die Wünsche der Kleinen zählten nichts.
Die Kaiserin hingegen lebte eine sehr aktive Mutterschaft. Sie interessierte sich für ihre Kinder und trauerte um jene, die verstarben. Beides war unüblich. Sie führte Listen mit Verhaltensänderungen und schrieb Briefe mit Ratschlägen. Über ein Netzwerk an privaten Zuträgern hielt sie sich über die Entwicklung ihrer Kinder am Laufenden. Als Quelle für das Buch dienten Badinter die Berichte und Briefe der kaiserlichen Erzieher. Jedes Kind hatte eine Gräfin oder einen Feldmarschall als Lehrer.
Elisabeth Badinter: Macht und Ohnmacht einer Mutter. Kaiserin Maria Theresia und ihre Kinder. Zsolnay, 208 S., € 26,80