Romanvertheaterung: Die Zeit vergeht langsam mit Hans Castorp in den Bergen

FALTER:Woche, FALTER:Woche 5/2023 vom 01.02.2023

Es ist wieder einmal so weit: Ein dicker Roman findet seinen Weg auf die Bühne und wird dort in überschaubarer Zeitspanne abgehandelt. Thomas Manns tausendseitiger "Zauberberg" dauert in der Theaterfassung von Bastian Kraft nur zwei Stunden und zehn Minuten. Dass sich diese dennoch sehr lang anfühlen, erscheint gar nicht so unpassend, handelt die Geschichte doch viel von der Zeit, die sich ausdehnt und gleichzeitig unüberschaubar schnell vergeht. Im Hintergrund tickt es leise.

Der angehende Ingenieur Hans Castorp besucht seinen Vetter Joachim Ziemßen im Sanatorium in den Schweizer Alpen. Eigentlich will er nur drei Wochen bleiben, doch dann entdeckt er, wie edel die Lungenkrankheit macht, verliebt sich und bleibt. Dass er fiebert und der Hofrat Behrens in seinen Lungen ein seltsames Geräusch vernimmt, kommt ihm da nur zugute. Er verbringt ganze sieben Jahre auf 1600 Meter Höhe. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus.

Die Besonderheit der Inszenierung liegt darin, dass lediglich zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler den Berg mit Seil auf der Bühne erklimmen. Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet, Markus Meyer und Sylvie Rohrer schlüpfen abwechselnd in die Rolle von Hans Castorp. Zusätzlich spielen sie in vorher aufgenommenen Videosequenzen alle anderen Figuren, etwa den pflichtbewussten Vetter Ziemßen, die strenge Schwester Oberin, den psychoanalytischen Dr. Krokowski oder die schöne Madame Chauchat. Ihre stark geschminkten und verfremdeten Gesichter erscheinen auf den vielen weißen Bergspitzen (Bühnenbild: Peter Baur). Sie synchronisieren sich selbst beeindruckend exakt. Zur Perfektion bringt es Sylvie Rohrer, in der Doppelrolle als Demokrat Settembrini und kriegsverherrlichender Naphta im Duell mit sich selbst. Die Schauspielerin des Abends aber ist Dagna Litzenberger Vinet: Sie vermittelt als Joachim Ziemßen auch die Beklemmung eines Lebens im Sanatorium.

Trotz großartigen Ensembles und witzigen Gags zündet der Abend nicht und bringt die im Buch viel besprochene Langeweile mit sich.

Burgtheater, Sa 19.30

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