Fünf vor fünf vor zwölf
Durch Kipppunkte könnten Eisschilde für immer schmelzen, Meeresströmungen aussetzen. Doch wie realistisch sind diese Szenarien?

Illustration: P.M. Hoffmann
Es ist schlimmer, viel schlimmer, als Sie denken.“ Der US-amerikanische Journalist und Schriftsteller David Wallace-Wells redet nicht um den heißen Brei herum. Würde die Menschheit so weitermachen wie bisher, könnten Leser seines Buches „Die unbewohnbare Erde“ noch erleben, wie bestimmte Lebensmittel ausgehen, ganze Ökosysteme wie Korallenriffe aussterben, Städte wie London oder Kopenhagen vollständig unter Wasser stehen – ein Gruß aus der Hölle.
Wer die Realität vermisst, dem ist diese Einschätzung nicht fern: Nationale Verpflichtungen und internationale Konferenzergebnisse – nur Versprechungen auf dem Papier; die Massen an Treibhausgasen, die wir weiterhin in die Atmosphäre schicken – eine kaum abflachende Kurve; und unweigerlich damit verknüpft: Kipppunkte im Klimasystem, durch die unsere Bemühungen, so ehrlich und ambitioniert sie sein mögen, trotzdem ins „Game over“ führen könnten.
2007 brachten die Klimawissenschaftler Timothy Lenton, Geograf an der Universität Exeter, und Hans Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sogenannte Kipppunkte zum ersten Mal in die Diskussion ein: Eisschilde, Meeresströmungen, Ökosysteme, die aufgrund der anhaltenden Erderhitzung von einem stabilen Zustand in einen anderen wechseln; die verschwinden oder sich zumindest grundlegend verändern.