Alle Menschen haben gleich zu sein!
Der Philosoph Omri Boehm hält die Identitätspolitik für eine Sackgasse und plädiert für radikalen Universalismus: Wer die Idee einer allen zukommenden Menschlichkeit entsorgt, wird auch gegen den Rassismus nichts ausrichten

Washington, 28. 8. 1963: Martin Luther King hält seine berühmte Rede „I Have a Dream“ (Foto: AFP)
Am 16. Oktober 1859 überfiel eine Gruppe von über 20 Männern ein Waffenarsenal der US-Armee in Harper' s Ferry, Virginia (heute: West Virginia). Angeführt wurde sie von John Brown, einem erfolglosen weißen Geschäftsmann und evangelikalen Christen. Vor allem aber war Brown ein militanter Abolitionist, ein Gegner der Sklaverei, der mit seiner gewalttätigen Aktion einen bewaffneten Sklavenaufstand auslösen wollte. Die US-Armee vereitelte diesen Versuch, wobei insgesamt 17 Menschen ums Leben kamen. Brown selbst wurde verhaftet und am 2. Dezember 1859 als Hochverräter gehenkt.
Die Frage, ob John Brown ein Freiheitsheld oder ein Terrorist sei, ist bis heute umstritten und wurde auch von Browns Zeitgenossen kontrovers diskutiert. Abraham Lincoln, der zwei Jahre später zum Präsidenten gewählt werden sollte, hatte gegen das Urteil "nichts einzuwenden". Ganz anders sahen das Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau: Die beiden Philosophen und Schriftsteller empörten sich gegen die von den Zeitungen vielfach verbreitete Auffassung, Brown sei schlicht verrückt, und sahen in dessen Überfall einen aus genuiner Freiheitsliebe begangenen und gerechtfertigten Akt des Widerstands.