„International gesehen hängen wir zwanzig Jahre hinterher”
Im Herbst hat Wiens einzige Skatehalle dicht gemacht. Seither haben Skater im Winter kaum Möglichkeiten, den Sport auszuüben. Was bedeutet das für den Sport? Und welche Bedeutung hat Skaten in der Stadt? Ein Gespräch mit Umweltmediziner und langjährigen Skater Hans-Peter Hutter.

Hans-Peter Hutter im Jahr 1988 beim Skaten am Karlsplatz (© Hans-Peter Hutter)
Falter: Im Herbst hat die Skatearea 23 geschlossen, was bedeutet die Schließung der Halle für den Sport?
Hans-Peter Hutter: Das ist ein trauriges Kapitel. Die erste Halle gab es Ende der 90er Jahre in der Remise Wien Leopoldstadt. Die wurde nach ein paar Jahren leider geschlossen. Dann gab es lange Zeit nichts. Bis Pro-Skater Roman Hackl 2007 die Skatearea 23 gegründet hat. Aber auch diese Halle wurde im Herbst 2022 geschlossen. Der Mietvertrag lief aus und die Betreiber bekamen keine städtischen Förderungen mehr. Nur mit Eintrittsgeldern kann man so eine Halle nicht betreiben. Dabei ist ein Skateboardpark mehr als nur ein Platz zum Sporteln, es ist ein Jugendtreff. Man kann es als Förderung sehen, dass sich Kinder und Jugendliche mehr bewegen, statt nur vor Bildschirmen herumzusitzen.
Glauben Sie, dass die Schließung der Halle auch die Anzahl der Skaterinnen und Skater in Wien beeinflusst?
Hutter: Wenn Anfänger im Winter monatelang pausieren müssen, spielt das sicher eine Rolle. Schaut man sich andere Städte an, gibt es nicht eine Halle, sondern mehrere. Für eine so große Stadt wie Wien ist es sehr enttäuschend, dass es nun gar keine mehr gibt. Dem Vernehmen nach soll es nach vielen Gespräche doch Zusagen für eine neue Indoormöglichkeit geben. Ich kann nur hoffen, dass das kein Gerücht ist und diese Angelegenheit endlich erledigt ist.
Wo in Wien kann man Ihrer Meinung nach am besten skaten?
Hutter: Mittlerweile gibt es outdoor sehr viele Spots. Beispielsweise in St. Marx, einen Do-it-yourself-Park, den Skater mit eigenen Mitteln auf einem technisch gesehen sehr hohen Niveau in vielen Stunden Arbeit gebaut haben. Im 14. Bezirk der Bergmiller-Park (2008 eröffnet); mein Homespot: der Dogpool im Bednarpark, dann gibt es noch die beliebten Skateparks in Währing und am Gürtel. Einen grandiosen, neuen, aber nicht einfach zu skatenden Pool gibt es am Margaretengürtel. Neben der Donauinsel gibt’s noch Unmengen von Streetspots.
Wo werden Sie jetzt im Winter skaten?
Hutter: Ich selber pausiere so lange, bis die Pools trocken sind. Sonst geht es dort, wo wenig gestreut und es wieder aufgetrocknet ist. Früher sind wir in Tiefgaragen oder hinter dem Franz-Josefs Bahnhof und in der U-Bahn-Passage beim Karlsplatz geskatet. Letzteres ist oft in ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei übergegangen. Überwachungskameras sind da nicht deine Freunde.
Was bedeutet Ihnen Skaten und wieso ist es Ihnen so wichtig?
Hutter: Als ich Ende der 70ern nach der Plastikbrettwelle mit dem echten Skateboarden begonnen habe, gab es in Österreich nur ganz wenige Gleichgesinnte. Ich selbe wollte nicht mehr Fußball spielen oder eine andere typisch geregelte Sportart mit Trainer etc. betreiben. Beim Skateboarden hat mir von Anfang an gefallen, dass es weder Regeln gibt und an keine bestimmte Zeit oder andere Vorgaben gebunden ist. Es gab zwar schon damals etliche Tricks, aber auch noch viel Raum für eigene Ideen und neue Kreationen. Skaten hatte und hat enorme Freiheitsgrade. Man darf dabei nicht vergessen: Es gab damals kein Youtube, wo man sich was anschauen konnte.
Die ersten U-förmigen Rampen haben wir von Fotos in amerikanischen Magazinen nachgebaut, aus irgendwelchen Bauholz-Restln und Plakatwänden. Skateshops gab‘s in Österreich auch keinen. Daher musste ich die Skateboards mühsam importieren, zuerst aus England, später fuhr ich nach Münster. Österreich war schon damals Schlusslicht – abgesehen von den Ostblockstaaten, die von der Szene völlig isoliert waren.
Wie oft waren Sie wegen einem Unfall beim Skaten schon im Krankenhaus?
Hutter: Vergleichsweise bin ich über die Jahrzehnte sehr gut weggekommen. Klar haben mich etliche dumpfe Aufschläge nicht gerade gefreut. Aber das gehört dazu. Sonst gab‘s nur eine offene Luxation am linken kleinen Finger nach einem freien Fall in einer Halfpipe in den 90er und einen Sehnenabriß in der rechten Schulter vor zwei Jahren im Dogpool. Aber nach wie vor gilt für mich „Keine Angst“.
Wie viele Skater gab es in Wien, als Sie mit dem Sport angefangen haben und wie viele sind es heute?
Hutter: Ganz am Anfang? Da waren es ein bis zwei Handvoll – eine wirklich kleine, eingeschworene, bunte Gruppe. Ein paar sind bis heute dabei und nach wie vor sehr ehrgeizig. Aus der nächsten zahlenmäßig deutlich größeren Generation, die sich vor allem auf der Donauinsel herumtrieb, sind noch viele dabei, die ich auch heute noch treffe.
Gibt es Dinge, die Sie sich heute nicht mehr trauen?
Hutter: Street-Skating ist für mich schon lange kein Thema mehr. Da hat es keinen Sinn, wenn man nur ab und zu skaten geht, weil man nun viel weniger Zeit hat. Früher bin ich, soweit es witterungsmäßig ging, fast täglich am Brett gestanden .. und zwar stundenlang. Das ist schon länger einfach nicht möglich. Dazu kommt noch, dass das Niveau und die Dimension, speziell beim Street-Skating zwischenzeitlich “beyond” ist. Alles sehr köperintensiv und risikoreich. .
Mit fortschreitendem Alter ist es schon mal wichtig, sein Können und sein eigenes Niveau zu halten. Verletzungen können einen da noch stärker zurückwerfen. Der Supraspinatus-Abriss hat das auch mir gezeigt: sechs Monate im Out. Besonders wichtig ist jedenfalls die mentale Fitness. Damit meine ich: Ausdauer, Geduld, Leidensfähigkeit, Ehrgeiz und ein gewisses Talent. Ich war sicher nicht talentierter als der Durchschnitt, aber dafür ehrgeizig.
In welchen Metropolen gibt es viele Skatehallen, oder viele Möglichkeiten zum Skaten?
Hutter: In fast allen großen Städten gibt’s welche. Und Möglichkeiten zum Skaten findet man weltweit überall … selbst in Uganda, Vietnam oder Costa Rica – der Kreativität sind eben auch keine Grenzen gesetzt, welche Strukturen man nutzen kann. In der Hochburg USA selbstverständlich nimmt das noch eine andere Dimension an – dort gibt es hunderte Skateparks. In den USA ist auch der gesellschaftliche Stellenwert viel höher als bei uns – vergleichbar mit dem Skifahren bei uns . Obwohl es mittlerweile olympisch ist, sieht man Skaten in Österreich immer noch eher als Kinderei. Das wird sich sicherlich irgendwann ändern. International gesehen hängen wir sicher zwanzig Jahre hinterher. Und Wien auch innerhalb Österreichs. In Innsbruck wird eine riesige Halle für Skateboarding und BMX betrieben. Das ist doch auch für die Bundeshauptstadt beispielgebend.
Warum wird die Skateszene von Männern dominiert?
Hutter: Skaten war in den ersten Jahrzehnten sehr, sehr stark männlich dominiert. Heute skaten schon viel mehr Frauen als noch vor ein paar Jahren. Warum das so ist? Da gibt es verschiedene Hypothesen: Erstens ist Skaten sehr körperintensiv und kann schmerzvoll sein – für mich ein schwaches Argument, wenn man an Triathlon oder Kampfsportarten denkt. Eine andere Erklärung ist: Dort, wo Burschen sich zum Skaten getroffen haben, war man als Mädchen oder junge Frau auf sich selbst gestellt. Vielleicht kam dann noch ein schiefer Blick oder die Frage: „Was machst du da?“ Kein angenehmes Umfeld. Aber was es wirklich war ist noch offen.
Eine der ersten inspirierenden Skaterinnen, die ich kennengelernt habe, war Elissa Steamer. Sie war trickmäßig auf sehr hohem Niveau und ich denke, die erste Pro-Streetskaterin. Steamer war und ist sicher eine Ikone. Mittlerweile ist das mit der männlichen Dominanz Schnee von gestern – Mann muss sich nur einmal ein paar Lines von Leticia Bufoni oder Lizzie Armato ansehen.
Das Gespräch führten Amrita, Lilly und Aynush. Die drei waren für ein dreitägiges Schülerpraktikum bei uns.