All-Tage: "Gagarine", ein Kinodebüt zwischen Sozialdrama und Science-Fiction
Vorige Woche erst berichteten Forscher vom Fund eines neuen Exoplaneten, "Wolf 1069 b", in der sogenannten habitablen Zone. Wir sind scheinbar süchtig danach, Ersatzerden zu finden, während die jetzige ihrem kläglichen Ende entgegenfiebert. So auch Youri: Wie die Sozialbausiedlung, in der er lebt, ist der 16-Jährige nach dem ersten Menschen im Weltraum benannt und träumt sich genau dorthin.
Das (reale) Wohnprojekt Cité Gagarine in der Pariser Banlieue wurde 1963 von der kommunistischen Partei Frankreichs - in Anwesenheit des Kosmonauten -eingeweiht. Im Jahr 2019 steht der marode Wohnblock kurz vor dem Abriss, und (der fiktive) Youri tauscht verzweifelt Glühbirnen aus, um sein Zuhause nicht zu verlieren. Denn so groß die Alltagstristesse in Gagarine sein mag, sie ist Heimat, die einzige. Es fällt schwer, hier keine Allegorie auf unsere Gegenwartskrise zu sehen: Während Elon Musk und Co sich auf den Mars fantasieren, geht es darum, den Plattenbau Erde bewohnbar zu halten.
Zusammen mit Crush Diana und Freund Houssam geht Youri in den Widerstand. Er bleibt als Letzter zurück und baut die brutalistischen Türme zum Raumschiff um. Nicht zuletzt ist "Gagarine", basierend auf einer Doku von 2015, sozialer Kommentar über das Leben am Rand - und was uns vereint: Oder wer wusste, dass auch unser Sonnensystem eine "celestial suburbia" ist?
Grandios ist "Gagarine" da, wo er sich in die Höhen des magischen Realismus schwingt: außerweltliche Sequenzen in sattem Violett; ein hypnotischer Soundtrack; das kosmische Herauszoomen der Kamera von Victor Seguin, die den roten Plattenbau wie einen Planeten umkreist. Etwas schal bleibt der Film, der auf Deutsch den Elyas-M'Barekschen Titel "Einmal schwerelos und zurück" trägt, dort, wo er auch narratologisch im Klischee verharrt: Schüchternes Genie wird zunächst nicht ernstgenommen und dann in emotionalem Finale als Held gefeiert, dazwischen klettern die Verliebten auf Kräne und küssen sich in Morse. Stellenweise wird das etwas zu klebrig -und nichts hindert so sehr an der Überwindung der Schwerkraft wie Klebrigkeit.
Ab Fr in den Kinos (OmU im Filmcasino)