Im Einzelgängerischen lebt die Diversifikation

Hermes Phettberg führt seit 1991 durch das Kirchenjahr

Kolumnen, FALTER 8/2023 vom 22.02.2023

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. (Mt 6,5-15)

Herzliebe Republik Österreich, einer der sorgsamsten Wiener Staatsbürger, Herr Peter Katlein, hat uns nun verlassen. Am 6. Juni 2023 wäre er 84 geworden. Jetzt im Alter bekam er Polyneuropathie, das heißt, er litt unter extrem starken Schmerzen an allen Stellen seines Körpers. Peter war so ein wunderbares Beispiel des Einzelgängerischen.

Dass es in Österreich nun ein Gesetz gibt, das verfügt, wie du dir das Leben nehmen kannst, wie Gott es nicht besser fügen könnte, gestattete dem Peter nun, im Bundesgesetzwesen genussvoll zu baden, denn in den letzten Monaten waren die Schmerzen für Peter immer unerträglicher geworden.

Ich bild mir ein, wenn ich Polyneuropathie bekäme, würde ich bis zur letzten Sekunde meine Schmerzen auskosten, wehleidig, wie ich bin. Doch im Einzelgängerischen lebt eben die Diversifikation voll auf.

Peter hat, als mein Regisseur Kurt Palm damals seinen Film über mich, "Hermes Phettberg, Elender", in den Stadtlichtspielen Retz hat vorführen lassen, noch bei meinem Bruder Theo genächtigt und alle Leute rundherum befragt und dabei gefilmt.

Quasi war sein letzter Lebenstag der Valentinstag 2023, und am Mittwoch, 15. Februar 2023, nahm er dieses großartige neue Mittel ein und schlief direkt in den Himmel hinauf.

Er hat folgenden Brief auf seiner Pinnwand zum Abschied hinterlassen: "Wenn Sie dies lesen, bin ich gewesen. Mein Lebensmotto war ,alles zu meiner Zeit und alles auf meine Art'. Diesem Motto entsprechend lebte ich auch mein letztes Jahr und meinen letzten Tag. (...) Das neue Sterbeverfügungsgesetz ermöglicht es mir, genau dies zu tun."

Ich meinerseits, Phettberg, könnte es mir nicht vorstellen, souverän wie Peter mein Leben zu beenden. Ich würde nämlich voll Schmerzen durchtrunken wegsterben wollen, und sei es, um "Radiohund Rudi" bis zuletzt im Radio zu verfolgen.

Peter war wie ich Bankangestellter, und wir trafen uns beim Spazierengehen oft auf der Kärntner und der Mariahilfer Straße. Nun in Wien Peterlos leben zu müssen, ist traurig.

Phettbergs Predigtdienst ist auch über www.falter.at zu abonnieren. Unter www.phettberg.at/gestion.htm ist wöchentlich neu zu lesen, wie Phettberg strömt

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