Neue Bücher Datenpoesie und ein sprechendes Gehirn

Feuilleton, FALTER 8/2023 vom 22.02.2023

Bots spuckten früher unfreiwillig komische Texte aus. Dann fuhr ChatGPT wie ein Sturm ins Feuilleton. Schon zuvor hat der Wiener Datenpoet Jörg Piringer sein literarisches Spiel mit künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Für 5,60 Dollar kaufte er sich eine frühe Version des Chatbots. Er fütterte ihn mit der Anweisung, ein Gedicht im Stil Trumps, Handkes oder eines Glückskeksspruchs zu schreiben. Die Ergebnisse sind oft erschreckend gelungen.

Sein Buch stellt große Fragen nach Autorschaft, Kreativität, Bewusstsein und Macht. Denn welche Konzerne trainieren die Programme? Der Autor hat 2020 die Jury des Bachmann-Wettbewerbs mit der Frage verunsichert, ob nicht eine künstliche Intelligenz Verfasserin seines Beitrags sei. Wüsste eine KI-Rezension Piringers Witz und Sprachverständnis wohl zu würdigen?

DOMINIKA MEINDL

Thomas Pynchon ließ in seinem Roman "Mason &Dixon" einen "Gelahrten Hund" auftreten, der sich als sprechender Vierbeiner entpuppte. Bei Franzobel verspürt ein Gehirn zeitweise Rededrang. Es spricht Schwyzerdütsch und hätte gerne einen Kaffee: "Isch da öpper? Isch scho nüni? Cha ni scho a Kafi bsteuwe?" Es handelt sich um das Hirn von Albert Einstein, das der amerikanische Pathologe Thomas Harvey entnahm, um dem Genie nahe zu kommen. Seine Faszination sollte schnell zu Besessenheit werden.

Franzobels Roman beruht auf einer wahren Geschichte, nimmt sich aber auch viele Freiheiten. Freunde wie Hasser dürfen beruhigt sein: Der Hang des Autors zum Absurden und zu überschießender Metaphorik ist auf dieser Amerika-Reise intakt. Und dass er sich als Erzähler gern ein wenig verplaudert, ist ja auch nichts Neues. SF

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