Nicht graben, sondern zuschütten
Leise erklingt der "Radetzkymarsch", aber in schiefen Tönen. Die schöne Welt ist dahin, die Erde offen. Paul Plut sitzt am Klavier und singt melancholisch im Dialekt: "Schene Wöd dahin." Drei Schauspielerinnen treten auf, sie alle spielen Ruth Schwarz.
Die Regisseurin Sara Ostertag hat aus Raphaela Edelbauers Roman "Das flüssige Land" Theater gemacht. Auf Trampolinen springen Suse Lichtenberger, Katharina Pichler und Michèle Rohrbach und erzählen die Geschichte von Ruth, "Physikerin der Zeit". Sie hat bei einem Autounfall beide Eltern verloren und möchte an ihren Geburtsort, doch dieser ist auf keiner Karte zu finden: Groß-Einland. Das idyllische österreichische Städtchen befindet sich im Besitz einer Gräfin (super: Rainer Galke), hat eine verschwiegene Vergangenheit, die etwas mit Bergbau und Zwangsarbeitern zu tun hat, und läuft Gefahr, in einem großen Erdloch zu verschwinden.
Ein österreichischer Geschichtssumpf, in den Ruth da hineinspringt: Die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit wird sich als schwierig bis nahezu unmöglich erweisen, Groß-Einland will nicht graben, sondern zuschütten. "Die Verdrängungsleistung der Bevölkerung ist beachtlich", heißt es an einer Stelle. Ostertag findet dafür stimmige Bilder.