Mach das weg!

Natur, FALTER 8/2023 vom 22.02.2023

Zeichnung: Georg Feierfeil

Schon wieder hat die Wiener Stadtregierung trotz Protesten von Anrainer* innen und Klimaschützer* innen in Hirschstetten Bäume gerodet, um eine Autobahn zu bauen. Damit hat sie auch den Lebensraum der seltenen Scharlachkäfer zerstört, die stark vom Aussterben bedroht sind", schreibt die Initiative "Lobau bleibt" in einer aktuellen Presseaussendung.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, sagt der Wiener. Und auch mit einem Bachelor in Biologie kennt man den Scharlachkäfer nicht. Also was soll der Bahöl wegen dem deppaten Käfer, würde es Edmund "Mundl" Sackbauer, der in der legendären Fernsehserie selbst gegen das Untergehen kämpft, auf den Punkt bringen.

Der Scharlachrote Plattkäfer (wie er mit vollem Namen heißt) lebt unter der Rinde von absterbenden oder toten Laubbäumen. Und genau das wird ihm zum Verhängnis, denn wo - außer in einem Nationalpark -dürfen noch verrottende Bäume herumliegen? Solche Lebensräume verschwinden schneller als Eisberge im Treibhausklima und werden wie in diesem Fall durch Beton, Lärm und schlechte Luft ersetzt.

Es gehört zu den seltsamen Widersprüchen in unserer Gesellschaft, dass gerade jene, die nicht neben einer Autobahn wohnen wollen, das Recht einfordern, mit ihrem Auto möglichst schnell ins "Grüne" fahren zu können. Auch dafür hat das goldene Wiener Herz einen passenden Sinnspruch: Tram weida von an haaßn Eislutschka! (Auf Hochdeutsch: Du wünschst dir Unmögliches wie ein heißes Eis am Stiel.)

Der Scharlachkäfer ist in diesem Fall ein Indikator für Biodiversität, also Zonen mit hoher Vielfalt an Lebensformen, in denen wir auch gerne leben wollten. Der Ökologe Paul Ehrlich hat das als Rivet-Popper(Nieten-Entfernungs)-Hypothese anschaulich dargestellt: Unsere Welt ist wie ein Flugzeug, in dem alle Teile (die Arten) durch Nieten miteinander verbunden sind. Wenn Passagiere beginnen, Nieten zu entfernen, hat dies zunächst keine spürbaren Auswirkungen. Doch je mehr Nieten entfernt werden, desto größer wird die Bedrohung, dass das Flugzeug dadurch plötzlich abstürzt.

Also welche Tier-und Pflanzenarten können wir gefahrlos entfernen? Machen wir doch eine Liste mit unnützen Lebewesen wie dem Scharlachkäfer, die wir nicht brauchen. Dummerweise wissen wir kaum etwas über das Leben dieser nicht notwendigen "Nieten" und schon gar nicht, was ihr Aussterben an Folgen nach sich ziehen würde.

Egal, es gilt offenbar das Motto wie beim Räumungsschlussverkauf: Alles muss raus!

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"