Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine: Eine Bilanz aus historischer Sicht

Wo stehen wir heute, ein Jahr nach dem russischen Angriff? Ein Gastkommentar von Philipp Ther, Professor für die Geschichte Ostmitteleuropas an der Universität Wien

Philipp Ther
POLITIK, 24.02.2023

Am Maidan, dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt Kiew, stecken kleine Fahnen für die Gefallenen. Foto: Nina Brnada

Vladimir Putin hat im Februar 2022 sicher nicht erwartet, dass sich sein Krieg gegen die Ukraine ein ganzes Jahr lang hinzieht. Das Ziel war ein Blitzkrieg, eine rasche Kapitulation der Ukraine, im Prinzip so wie beim Ersten Russisch-Ukrainischen Krieg von 2014, als es Putin gelang, die Krim kampflos zu besetzen. Die Annexion der Halbinsel und der verdeckte Einmarsch im Donbas bedeutete schon damals eine Zeitenwende, das Ende der europäischen Friedensordnung, die nach dem Fall der Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion geschaffen wurde. Nur wollte das damals in Deutschland niemand so klar benennen und die politischen Konsequenzen daraus ziehen. Wo stehen wir heute, ein Jahr nach dem zweiten russischen Angriff? Ist die Bundesrepublik, ist die EU in der Realität des Krieges angekommen? Wo spielt sich dieser Krieg überhaupt ab, nur auf den Schlachtfeldern der Ukraine, die in den Medien im Vordergrund stehen?

Aus einer historischen Perspektive sind drei Ebenen des Krieges zu unterscheiden, bei denen es für Russland, die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer sehr unterschiedlich läuft. Militärisch musste Putin schmerzhafte Rückschläge hinnehmen, aber der Blick auf frühere große Kriege in Europa zeigt, dass damit noch nichts entschieden ist. Denn schon im Ersten Weltkrieg, der dem derzeitigen Positions- und Grabenkrieg in der Ukraine ähnelt, gaben zwei andere Ebenen den Ausschlag: der Wirtschaftskrieg und die Lage an den Heimatfronten.

Zunächst zum klassischen Krieg auf den Schlachtfeldern: Die ukrainische Armee und Zivilgesellschaft haben durch ihren Widerstand die Zerschlagung der Ukraine abgewendet. Das zweite russische Ziel, die Eroberung des Südens und Ostens der Ukraine, in der Putinschen Propaganda „novorossija“/Neurussland, ist ebenfalls gescheitert.

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