Jagd auf Roter Vogel
Die Raiffeisen Bank International will sich die Reste der staatlich-russischen Sberbank in Europa einverleiben. Das Vorhaben ist intern umstritten – und könnte Raiffeisen noch mehr Probleme mit den Sanktionsbehörden bringen

Illustration: PM Hoffmann
Ein Streit über Einfuhrbeschränkungen von synthetischem Kautschuk hätte beinahe die schöne Symbolik zerstört. Am ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine wollte die Europäische Union Einigkeit und Stärke zeigen. Nach langen Debatten zwischen den Mitgliedsstaaten verkündete die schwedische Ratspräsidentschaft via Twitter: „Ein Jahr ist seit der brutalen und illegalen Invasion Russlands in der Ukraine vergangen. Die EU hat heute das zehnte Paket von Russlandsanktionen beschlossen.“ Da war es kurz nach 22 Uhr am 24. Februar 2023. Das war knapp.
Die Liste der sanktionierten Unternehmen ist mit dem zehnten Sanktionspaket jetzt um 96 Namen länger. Auch drei russische Großbanken sind neu dazugekommen. Die Russland-Tochter der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) kann jedoch weiterhin unbehelligt ihren Geschäften nachgehen. Während sich etliche westliche Unternehmen aus Russland zurückgezogen haben, ist die RBI nach wie vor aktiv. Und es hat sich ausgezahlt. Im Geschäftsjahr 2022 hat die Raiffeisen Bank International einen Rekordgewinn von 3,6 Milliarden Euro eingefahren, etwas mehr als zwei Milliarden davon stammen aus dem Russland-Geschäft.
Damit nicht genug. Offenbar hegte die Raiffeisen Bank International weitere Expansionspläne, Kriegsverlauf und Sanktionen zum Trotz. Dem Falter liegen Unterlagen vor, die belegen, dass die RBI über Wochen hinweg klammheimlich an der Übernahme der staatlichen russischen Sberbank Europe mit Sitz in Wien arbeitete und nach wie vor arbeitet. Sie befindet sich in Liquidation. Der Deal war und ist innerhalb des Raiffeisen-Konzerns und bei den Beteiligten höchst umstritten. Er ist politisch brisant, sanktionstechnisch höchst fragwürdig – und könnte dem russischen Staat hunderte Millionen einbringen. Und Österreich einmal mehr den Ruf, es mit seiner Solidarität mit der Ukraine und dem ökonomischen Abnabeln von Moskau nicht ganz ernst zu nehmen.