Die Dollfuß-Legende
90 Jahre nach dem Ende der Demokratie in Österreich wird um das Dollfuß-Museum gerungen. Worin besteht der Konflikt?
Zum Beispiel die Bauernstube. Eckbank und Balkendecke aus dunklem Holz, so, wie es in ländlichen Häusern gegen Ende des 19. Jahrhunderts üblich war. Wohl auch in jenem Bauernhaus im niederösterreichischen Texingtal, in dem Engelbert Dollfuß am 4. Oktober 1892 geboren wurde. Über ein Jahrhundert später, 1998, eröffnete darin ein kleines Museum über Dollfuß. Das Haus gehörte seinen Nachfahren, die Gemeinde pachtete es und zählt 50 bis 100 Besucher pro Jahr.
Erst als Gerhard Karner, damals ÖVP-Bürgermeister der 1678-Einwohner-Gemeinde Texingtal, im Dezember 2021 den Job wechselte und Innenminister wurde, erregte das Museum öffentliche Kritik. Zu verherrlichend und unkritisch werde der diktatorische Kanzler präsentiert, der 1934 bei einem Putschversuch der Nazis ermordet wurde. Neben dem Eingang hängt beispielsweise eine Gedenktafel, die Dollfuß als "Erneuerer" preist -ganz ohne historische Einordnung. Und die Bauernstube, deren Exponate sich Dollfuß' Kindheit widmen, wurde eigens für das Museum getischlert. Dass es kein Original ist, steht aber nirgends.