Unglaublich!
Peter Iwaniewicz beschreibt die Welt, wie sie ihm gefällt

Zeichnung: Georg Feierfeil
Fakten, Fakten, Fakten!" Mit diesem Slogan bewarb Gründungschefredakteur Helmut Markwort das 1993 erstmals erschienene deutsche Nachrichtenmagazin Focus.
30 Jahre später kann man über dieses Verkaufsargument aus Sicht des postfaktischen Zeitalters nur mehr milde lächeln. Spätestens seit dem Brexit-Referendum 2016 in Großbritannien und dem zeitgleichen US-Präsidentschaftswahlkampf wissen wir, dass uns nicht so sehr die faktische Wahrheit einer Aussage, sondern der emotionale Effekt einer Botschaft beeinflusst.
Die Frohbotschaft der Aufklärung, dass wir uns von Vernunft leiten lassen sollen, führt zum Fehlschluss, zu glauben, dass, je mehr gut beforschte Erkenntnisse zu Problemen wie Klimawandel, Artensterben etc. der Bevölkerung bekannt sind, umso eher diese darauf reagieren wird.
Doch so funktionieren Menschen nicht. Neue Informationen bringen uns nicht zum Umdenken, sondern wir passen diese an unser Wertesystem an. Als das US-Center for Disease Control Zahlen zu Todesfällen durch Covid-19 veröffentlichte, gab bei einer Umfrage die Mehrheit der demokratischen Wähler an, dass diese Zahlen zu niedrig wären. Für den Großteil der Republikaner hingegen waren sie zu hoch. Es ist leichter, offiziellen Zahlen nicht zu vertrauen, als seine Meinung dazu zu ändern.
Nur auf Basis von Zahlen und Daten ändern Menschen weder ihre Überzeugungen, noch handeln sie dann anders. Das haben viele Studien in den letzten Jahrzehnten belegt, aber diesen glauben wir ja nicht. Statt auf überprüfte Wahrheiten zu setzen, hören wir lieber auf gefühlte Wahrheiten, die unseren Wünschen und Emotionen entsprechen. Wie singt Pippi Langstrumpf: "Ich mach' mir die Welt / Widdewidde wie sie mir gefällt." Okay, da will ich mitmachen: Tschechische Vogelkundler schauen lieber tief ins Glas als in den Feldstecher. Das behauptet der Kuckucksexperte Tomáš Grim, weil ach ja, weil Tschechen mit 156,9 Liter Bier pro Jahr und Kopf Weltrekordhalter sind. Dann setzte er dies mit der eher geringen Anzahl der Publikationen von Birdwatchern im Land in Verbindung und fertig war die Schlagzeile. Sogar Beobachtungen an sich ließ er einfließen: "Nach einer Leberentzündung konnte ich ein Jahr lang nichts trinken. Plötzlich hatte ich drei Aufsätze in internationalen Zeitschriften." Ob das eine die Ursache dafür war oder nur eine zufällige Beziehung besteht, soll jeder selbst entscheiden.
Ich meine: Wer Korrelation und Kausalität verwechselt, stirbt sicher.