Sperrstund is
Knapp 25 Jahre lang war das Stimmgewitter Augustin der singende Flügel der Wiener Straßenzeitung. Nun haut das beherzte Ensemble den Hut drauf

Kapellmeister Mario (mit Hut) und das zum Quintett geschrumpfte Stimmgewitter Augustin (Foto: Mario Lang)
Es is a Spaß, es kost' ned vü - und übt man es nicht nur alleine aus, steigert sich der Spaß noch einmal deutlich: Was für den Sex gilt, gilt ebenso fürs Singen. Ist beim einen klassischerweise das Duo die Idealbesetzung, gilt beim anderen: Je mehr, desto besser.
Kein Wunder also, dass Chöre aller Art selbst in Zeiten der Digital Natives noch fröhliche Urständ feiern, gern auch alternativ gefärbt und mit Laien aller Geschlechter besetzt. Das Stimmgewitter Augustin gehört zu den Wiener Pionieren jener Chöre, die Gesangskunst nicht übers Können definieren, sondern über das Wollen und den Spaß an der Freude.
Durchaus mit rührenden Ergebnissen, in die Welt getragen über unzählige Konzerte sowie liebevoll gestaltete Tonträger mit so schönen Titeln wie "Kitsch & Revo" oder "Schmankerl der Schöpfung", unterstützt von Größen des Austropop, Austropunk sowie einer jüngeren Generation lokaler Musikschaffender.
Nun gibt das Ensemble aus dem Umfeld der Wiener Straßenzeitung Augustin im Theater an der Gumpendorfer Straße sein Abschiedskonzert. Erstmals in der Geschichte der Gruppe hieß es dazu bereits Wochen im Voraus: "Restlos ausverkauft!". Nur mehr zu fünft wird dieser Liedbund Rote Fahne, der Revolution und Romantik so beherzt eint, am 16. März auf der Bühne stehen: Ernst, Hömal, Maria, die Sozialarbeiterin Riki und Mario, Fotograf, Journalist, Spielertrainer und neben Riki Mitbegründer des Ensembles, bei dem alle nur unter ihren Vornamen firmieren.
Gemma Sandlerchor schauen: Das sei anfangs für viele der Antrieb gewesen, Auftritte zu besuchen, erinnert sich Mario. "Wir haben mit dieser Situation gespielt, aber wir waren niemals ein Sozialprojekt!" Was abgesehen vom Selbstverständnis aller Beteiligten auch an der Gründungsgeschichte lag: Hinter dem Stimmgewitter Augustin stand keine Institution, die Obdachlosen helfen wollte, sondern die Lust am Singen -und eine Begegnung, die den Geist des bunten Haufens bereits im Moment seiner Gründung wunderbar verkörpern sollte.
"Das Stimmgewitter ist per Zufall in die Welt gestolpert", erzählt Mario. "Böse Zungen würden behaupten: ein Rauschkind." Beim Volksstimmefest 2000 traf er zur späten Stunde die Augustin-Mitbegründerin Riki am Nicaragua-Stand. In Bierlaune fingen die beiden an zu singen, von "Biene Maya" bis zur "Internationalen".
Zwischen beherztem Geträller und der nächsten Getränkebestellung dann die zündende Idee: Ein Chor muss her! Als Freizeitbeschäftigung für Menschen, die den Augustin verkaufen! Der Kater tags drauf war nicht massiv genug, die Sauf-und Sing-Kompan:innen konnten sich noch an ihren kühnen Plan erinnern.
Die ersten Proben fanden bald danach in einem Wirtshaus im 5. Bezirk statt, bis zu zwei Dutzend Sangeslustige tauchten auf. "Viele sind aber nur wegen der zwei Freigetränke gekommen", sagt Mario. "Gesungen haben wir in erster Linie laut und mit Begeisterung. Niemand hatte eine musikalische Ausbildung, und Plan gab es auch keinen. Die Lust am Singen war unser Motor." Die erste CD-Produktion sollte dann zu einer zarten Professionalisierung führen: Stimmgewitter-Proben wurden konzentrierter und arteten bisweilen gar in Arbeit aus, viele Chorstimmen sprangen wieder ab. Irgendwann stabilisierte sich die Besetzung bei neun Personen.
"In der Anfangszeit waren noch wohnungslose Sänger im Chor", erzählt Mario. "Einer schlief unter der Floridsdorfer Brücke, ein anderer auf der Donauinsel im Zelt. Aber jeden Donnerstag sind sie zur Probe erschienen." Heute leben alle Gewitterstimmen in Wohnungen.
Todesfälle haben die Gruppe über die Jahre dezimiert, Nachbesetzungsversuche scheiterten an der speziellen sozialen Dynamik der verschworenen Bande. Mehr als die Hälfte der Mitglieder singe schon im Himmel, sagt Mario, der gewählte Kapellmeister. "Und auch wir Übriggebliebenen pfeifen bereits aus dem letzten Loch. Wir ziehen daher jetzt im 23. Jahr des Bestehens einen Schlussstrich, um uns erhobenen Hauptes vom Rampenlicht verabschieden zu können."
Wer Karten für den last waltz hat, darf sich auf einen ausgelassenen Abend mit musikalischer Begleitung von Hirsch Fisch, Kollegium Kalksburg, Fuzzman, Rewolfinger und 7 Sioux freuen. Ansonsten bleiben die Tonträger als Vermächtnis, erhältlich unter www.stimmgewitter.org.
Stimmgewitter Augustin & Friends: Grande Finale. Das allerletzte Konzert! Tag - Theater an der Gumpendorfer Straße, 16.3., 20 Uhr