Elfriede Jelinek und Fiston Mwanza Mujila: Weltraumbahnhof, zerfallen in zwei Teile
Vor 23 Jahren starben beim Brand in der Gletscherbahn Kaprun 155 Menschen. Mit ihrem Text "In den Alpen" reagierte Elfriede Jelinek auf die (österreichische) Unersättlichkeit in Bezug auf Beherrschung des Fremden und Verdrängung der Taten und reflektierte das Verhältnis von Natur und Kultur. Nach den Freisprüchen aller Angeklagten und den weiteren Prozessanstrengungen publizierte sie 2020 "Diese Maschine ist unschuldig!", eine Verteidigung des unsachgemäß eingebauten Heizlüfters, der die Katastrophe ausgelöst hat.
Nun bringen Regisseurin Claudia Bossard und Dramaturgin Jennifer Weiss diese Texte als unkonventionellen Doppelabend "In den Alpen /Après les alpes" auf die Bühne. Teil zwei ist die Uraufführung jenes Stücks, mit dem der Autor Fiston Mwanza Mujila Jelineks Originaltext in Richtung eines umgekehrten Kolonialismus abbiegen lässt.
Die Bühne von Elisabeth Weiß beeindruckt zunächst als disparater Weltraumbahnhof-Warteraum, dann in ihrem Zerfall. Denn nach und nach bauen Techniker die kleinteilige Szenerie ab und beenden die Illusion. Das sechsköpfige Ensemble lässt sich davon nicht beirren und bringt dank klarer, aber unaufdringlicher Rollengestaltung Jelinek exzellent zu Gehör. Ebenso engagiert wie entrückt disputieren sie, an der Toten statt, über das Leben und lancieren eine Anklage der Katastrophe von Kaprun.
Plötzlich aber geht es auf einem leeren Flugfeld und mit Mwanza Mujila um "das stille Örtchen" und "Kacken als Kunst". Was das mit Kaprun zu tun haben könnte? Der Autor behält es für sich. Ebenso etliche Setzungen (dass die Alpen aufgrund einer eingetretenen Klimakatastrophe nicht mehr touristisch ausbeutbar sind etwa), die der Text zwar nicht ausspricht, für sein Verstehen aber voraussetzt.
Die Idee eines Ausverkaufs der Alpen in Analogie zur kolonialen Ausbeutung des globalen Südens wird lediglich in der Presseankündigung thematisiert; stattdessen ergeht sich der Text in -sprachlich durchaus pointierten, inhaltlich aber hanebüchenen- Aufzählungen und Anekdoten. So dauern die zweieinviertel Stunden doch recht lang.